Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur äußert sich FAZ-Redakteur Jürgen Kaube über die Rückkehr Karl Theodor zu Guttenbergs auf die politische Bühne. Am Donnerstag hatte Kaube unter dem Titel Er war’s gar nicht bereits die Art und Weise, wie zu Guttenberg sein Abschreiben zu rechtfertigen versucht, eingeordnet. Auch in dem Radio-Interview bezieht er eindeutig Stellung – auch zur Rolle der Wochenzeitung Die Zeit, die zu Guttenberg diese Woche interviewt und auf dem Titel zeigt:
das Interview mit ihm zu führen, ein Gespräch auch über seine Rückkehrabsichten, die ja so ein bisschen nebulös formuliert werden, fast so in Form so einer kleinen Drohung und pünktlich zur Eurokrise, da würde ich sagen, gut, das mag journalistische Praxis sein, dass man dann sagt: Wir machen so etwas. Aber es ist ja im Grunde genommen ein Vorabdruck, eine Art Vorab-Reklame für diesen Gesprächsband. Und da, finde ich, sind vielleicht Grenzen erreicht.
Kaube führt dies weiter aus und lenkt den Blick auf die Leserinnen und Leser der Zeit, die – so spekuliert er – vielleicht nicht ganz so einverstanden sind, mit der Titelgestaltung der aktuellen Woche:
Aber man ist doch ein bisschen erstaunt, denn auch „Die Zeit“ hat ja ein Publikum, das sich ein wenig auskennen dürfte mit den Standards in der Wissenschaft, an den Universitäten.
Wie dieses Publikum im Netz reagiert, kann man unter der Chefredakteurs-Ankündigung nachvollziehen, aber vor allem in den zur Stunde rund 800 Kommentaren unter dem Text Guttenberg gesteht Fehler ein, aber keinen Betrug. Trotz der sehr hohen Anzahl an Kommentaren ist dieser Text aktuell nicht in der Ranking genannten Auflistung der meist kommentierten Artikel geführt, obwohl dort kein Text mehr Kommentare aufweist. Diese Information erhält man, wenn man sich durch die Kommentare klickt.
Die aktiven Rezipienten von Zeit-Online liefern ein erstaunliches Stimmungsbild zum Thema Guttenberg einerseits, aber auch zur Frage wie die Leserinnen und Leser den Umgang ihrer Zeitung mit dem vorerst gescheiterten Politiker beurteilen. Eines ist dabei klar: Zustimmung sieht anders aus.
Erstaunlich finde ich diesen Aufschrei aus der Zeit-Community weil er sozusagen als Antwort auf die Debatte aus dem Frühjahr zu verstehen ist. Karl Theodor zu Guttenberg sorgt – damals wie heute – für soviel Reibung im Netz, dass er dem Land vorführt, wie politische Auseinandersetzung in Zeiten des aktiven Rezipienten auch funktioniert. Im Frühjahr rückte das Thema Leser- oder Bürgermeinung durch eine merkwürdige Bild-Umfrage und eine rasant wachsende Fangemeinde des damaligen Verteidigungsministers auf Facebook in den Blick (der Kollege Peter Wagner ging damals auf jetzt.de der Frage nach Wo kommen all die Guttenberg-Fans her?), heute ist es die Debatte in der Zeit-Online Community, die die Frage aufwirft: Wie gehen die etablierten Institutionen eigentlich mit den plötzlich stimmgewaltigen Lesern um?
Und da die Debatte über zu Guttenberg so viele Menschen zu empören interessieren scheint, bekommt diese Frage plötzlich ein viel größeres Gewicht. Vielleicht liefert sie sogar den Stoff für wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema – dann hätte Guttenbergs Rückkehr womöglich sogar was Gutes.
6 Kommentare
Wer sich nicht nur flüchtig mit den Rankings bei Zeit Online beschäftigt, sieht eigentlich gleich, dass dort aktuelle Artikel gelistet werden. Nach einer gewissen Spanne (z.B. 24 oder 48 Stunden, bei weniger nachrichtlich geprägten Ressorts u.U. auch später) fallen Artikel aus den Kommentar-Rankings heraus. Von daher kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der hier erwähnte Guttenberg-Artikel, der nun bei über 800 Kommentaren liegt, rund um die Uhr in den Rankings war, auch auf der Homepage (bitte bedenken: Artikel ging Mittwochnachmittag live, wir haben mittlerweile Nacht auf Samstag). Auf der Homepage benötigt ein Artikel heute z.B. Pi mal Daumen 100 Kommentare, um unter die ersten 5 (=sichtbaren) Plätze des Rankings vorzudringen.
Viele Grüße,
Fabian Mohr
Danke für die Erläuterung, Fabian.
Vielleicht hab ichs im Wust der Kommentare übersehen, aber ist diese von Lesern formulierte Anfrage in Bezug auf die Sortierung irgendwo erläutert?
Was mich erstaunt, ist, dass allerorten „Guttenberg“ geschrieben wird. Der Mann heißt „zu Guttenberg“, sodass ein echter Namensbestandteil weggelassen wird.
weil mich der guttenberg’sche mash-up gerade auch als montage-text sehr interessiert: hast du dich dazu hier oder in deinem buch (das ich nicht gelesen habe, sorry) dazu geäußert? irgendwelche idee, was man da herauslesen kann, wenn man mal guttenberg selbst und die moralfrage ausklammert?
[…] Das Gute an Guttenbergs Rückkehr | Digitale Notizen Das Gute an Guttenbergs Rückkehr. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur äußert sich FAZ-Redakteur Jürgen Kaube über die Rückkehr Karl Theodor zu Guttenbergs auf die politische Bühne. Am Donnerstag h… […]
Hallo Martin, ich habe in dem Buch versucht klar zu machen, dass ich Guttenbergs Abschreiben nicht als lobenswerte Kopie verstehe. Ich benne drei Kategorien, die er allesamt nicht erfüllt. Er verschleiert seine Quellen und gibt das Ergebnis als eigene Arbeit aus. Besten Gruß Dirk