In Artikel 11 des deutschen Urheberrechtsgesetz liegt im zweiten Satz der Grund für die aktuelle Debatte über das Urheberrecht. Dort hat der Gesetzgeber festgelegt, dass der Urheber
in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes
geschützt ist. Außerdem beschreibt Artikel 11 den monetären Sinn des Urheberrechts:
Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.
Spätestens hier treffen sich die grundlegenden Veränderungen der Geschäftsmodelle mit den Debatten um ein zeitgemäßes Urheberrecht. Die Wir sind die Urheber-Aufruf-Unterzeichner leiten daraus die Aussage ab: „Das Urheberrecht ermöglicht, dass wir Künstler und Autoren von unserer Arbeit leben können.“
Dieser Zusammenhang trägt natürlich nicht ganz. Denn kein Urheberrecht der Welt kann einem Künstler helfen, wenn sich niemand für dessen Kunst interessiert. Oder wie es die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries im Rahmen der Berlin Music Week sagte:
„Es ist nicht Aufgabe der Politik, Geschäftsmodelle zu entwickeln“
Dass diese Geschäftsmodelle von anderen Menschen entwickelt werden als von denen, die Lobby-Arbeit in der Urheberrechtsdebatte machen, ist nicht neu. Erstaunlich ist jedoch, dass diese Geschäftsmodelle offenbar mit entgegensetzten Ansichten entwickelt werden. Als Jeff Bezos im Rahmen der Kindle-Präsentation am Donnerstag erklärte, wie die neuen Geräte des mittlerweile schon lange nicht mehr nur Online-Buchhändlers in deren Geschäfte passen, kam ich doch ins Stutzen. Amazon, das nur zur Erinnerung, ist das teuflische Unternehmen, so hatten es erst vor kurzem Maximilian Probst und Kilian Trotier in der Zeit erklärt, das daran arbeitet, „die Buchkultur, wie wir sie seit Gutenbergs Erfindung der Druckpresse kennen“ zu zerstören. Dieses gleiche Amazon querfinanziert nun also Endgeräte, damit die Kunden mit diesen Geräten bei Amazon einkaufen. Jeff Bezos erklärt das so:
„We want to make money when people use our devices, not when they buy our devices.”
Man kann das jetzt als Beginn eines Preiskriegs zwischen Amazon, Apple und Google werten. Man kann sich aber auch kurz die Augen reiben und bei Jeff Bezos nachfragen, ob er denn nicht wisse, dass man mit Inhalten im Digitalen doch gar nichts verdienen könne. Dass die Buchkultur genau wie die Popmusik ganz bald sterben müssen, weil diese ganze Kostenloskultur des Digitalen alle sinnvollen Geschäftsmodelle unmöglich mache. Ist das Lobby-Geklapper etwa nicht bis zu Bezos vorgedrungen? Der Mann, der immer so vorne dran sein will, hat tatsächlich nicht mitgekriegt, wie schlecht es um Inhalte im Digitalen steht?
Unfassbar!
Und vor lauter Ahnungslosigkeit baut dieser Jeff Bezos jetzt auch noch sein ganzes Geschäftsmodell darauf auf: Er zahlt drauf, damit die Leute seine Kindle-Endgeräte kaufen und wird dann ganz schnell Pleite gehen. Denn was soll er denn groß verkaufen auf diese Kindle-Geräte?
Genau: Bücher könnte er verkaufen, Zeitungen, Magazine, Filme oder Musik. Er könnte Computerspiele oder TV-Serien an den Mann bringen. Vielleicht auch kleine Computerprogramme so genannte Apps, die dem Nutzer helfen, weil sie wissen, wo der gerade ist und was er oder sie dort zum Beispiel sucht. Anders formuliert: Inhalte wird Jeff Bezos auf seine Kindle-Geräte verkaufen. Und er ist so überzeugt davon, dass Menschen sich für Inhalte begeistern und dafür zahlen, dass er sogar in Vorleistung geht.
Hier muss man eine Sekunde Pause machen um zu warten bis diejenigen sich gesammelt haben, die immer aufs Digitale schimpfen und die Unmöglichkeit beklagen, dort Geld zu verdienen. In dieser Sekunde gelingt es ihnen nämlich vom Schmipfen auf die Kostenloskultur umzuschwenken aufs Schimpfen auf Bezos und das teuflische Amazon. Denn natürlich will Bezos all die Vorleistung und Querfinanzierung jetzt wieder reinholen – auf Kosten der Künstler und Kreativen. Die müssen ihre Umsätze künftig mit Bezos teilen.
Ob das angemessen oder teuflisch ist, sollen andere beurteilen. Was ich beurteilen kann ist dies: Jeff Bezos und Amazon scheinen mehr an den Wert von Inhalten im Digitalen und an das Geldverdienen im Internet zu glauben als gar nicht mal wenige derjenigen Menschen, die diese Inhalte überhaupt schaffen.