In München sind heute die Medientage eröffnet worden. Ich habe die Eröffnungsveranstaltung und die als Elefantenrunde vermeintlich wichtiger Menschen bezeichnete Start-Debatte nicht live verfolgt, medial vermittelt aber erfahren: Es gibt da was Neues, aber im Prinzip ist alles so wie immer. dpa zitiert den ZDF-Intendanten Thomas Bellut mit den Worten: „Es hat sich im Grunde wenig verändert durch die Neuen Medien.“
In diesen Neuen Medien gährt unterdessen eine Debatte über die vergangene Woche ebenfalls in München gestartete Huffington Post. Der ist es mit einem doppelten Werbetrick gelungen, Aufmerksamkeit auf ein Produkt zu lenken, das eigentlich durch Inhalte interessieren sollte. Dadurch, dass man die Autorinnen und Autoren, die auf der Seite schreiben, nicht bezahlt, spart man zum einen Geld, zum zweiten bekommt man soviel Branchenaufregung dass man nochmal Geld spart: für bezahlte Werbung.
Ich hatte mir vorgenommen, solange nicht über die Huffington Post zu schreiben, wie dort kein für mich relevanter Inhalt auftaucht. Bisher kam ich ganz gut damit zurecht, das zu lesen, was andere ÜBER die Huffington Post schreiben. Dank Pierre Omidyar schreibe ich jetzt aber auch über die Huffington Post – allerdings über die Ausgabe für Hawaii. Diese wurde im September mit Hilfe von Pierre Omidyar ins Leben gerufen. Der Mann ist Verleger der Honolulu Civil Beat und besser bekannt als Gründer von ebay. Beim Launch der Huffington Post Hawaii stellte er mit Blick auf die Prism- und NSA-Überwachung die Frage:
“Can we be truly free if we are surveilled all the time, if we have no privacy? I think that’s a really important debate to have.”
Jetzt gibt er eine Antwort darauf: Auf seiner Website erklärt er unter der Überschrift „My Next Adventure in Journalism“ warum er den renommierten Journalisten Glenn Greenwald vom Guardian abgeworben habe und welche Pläne er mit ihm verfolgt:
I developed an interest in supporting independent journalists in a way that leverages their work to the greatest extent possible, all in support of the public interest. And, I want to find ways to convert mainstream readers into engaged citizens. I think there’s more that can be done in this space, and I’m eager to explore the possibilities.
Auf die Idee zu all dem sei er gekommen, als er mit dem Gedanken spielte, die Washington Post zu kaufen. Dabei kam ihm Amazon-Chef Jeff Bezos zuvor. Jetzt will Omidyar selber ein Medium aufbauen (ausschließlich digital), das sich für eine demokratische Öffentlichkeit und gegen staatliche Überwachung engagiert. Er will Mainstream-Leser zu engagierten Bürgern machen.
Das kann man durchaus als Ansage verstehen, in einer Zeit, in der die Medienbranche (anders als auf den Medientagen verkündet) nicht gerade vor Optimismus strotzt. Das kann man als grundlegende Veränderung im publizistischen Gefüge interpretieren: ein reicher Mann investiert in unabhängigen Journalismus, weil er eine demokratische Öffentlichkeit, weil er engagierte Bürger schaffen will. Und Auslöser dafür sind die auf den Medientagen als „Neue Medien“ bezeichneten digitalen Verbreitungsmöglichkeiten. Sie verändern im Grunde nicht viel, sagen die einen. Während die anderen erkennen, wie unter ihren Füßen Gewissheiten in Bewegung geraten, die man für stabil wie Gesteinsplatten hielt.
Mehr zum Thema bei Jay Rosen, Poynter, Greenwald, Buzzfeed, Guardian
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