Alles fließt – wer die dieser Tage gestarteten Webauftritte von Wired und Krautreporter anschaut kommt aus der Bewegung gar nicht mehr heraus. Krautreporter ist – nach dem Vorbild angelsächsischer Innovatoren wie i100 vom Independent oder Quartz – zunächst mal ein Schlauch. Kein allgemeinverbindlicher Anfang, keine Abschluss, sondern steter Fluss. Das ist konsequent, modern und flexibel im Layout. Wo früher eine ausführliche Navigation war, stehen heute drei Striche untereinander. Das kennt man von mobilen Ansichten – und genau dafür ist diese reduzierte Form der Navigation gedacht.
Liquid Design nennt man das, eine Gestaltung, die sich dem Nutzungskontext der Leserinnen und Leser anpasst und je nach Bildschirmgröße skaliert. Und allein wegen dieser flüssigen, steten Bewegung lohnt es sich, Wired und Krautreporter in dieser kleinen Tagebuch-Rubrik festzuhalten, die sich ja eben dieser Bewegung in der Branche widmen will: Denn man vergisst ja wie flink die Digitalisierung durch den Journalismus eilt und nicht nur Gestaltung und Geschäftsmodelle – sondern vor allem auch Gewohnheiten ändert.
Wie gefällt Ihnen Deutschlands neue Wochenendzeitung? Sagen Sie es uns mit Hashtag #szamwe http://t.co/PuTyNkSrMS pic.twitter.com/rY2HdPtxG4
— Süddeutsche Zeitung (@SZ) 18. Oktober 2014
Deshalb hält die Oktober-Folge des Journalismus-Tagebuchs kurz inne, blickt auf Deutschlands neue Wochenendzeitung und die damit verbundenen Ausrichtung der Süddeutschen Zeitung (für die ich arbeite) auf Samstag und Sonntag und beobachtet die diese Woche gestarteten Mitglieder-Medien Wired und Krautreporter.
Wer dazu intensiver nachlesen will, was Blogs und Medien melden, sollte (in Bezug auf Krautreporter) Christoph Neuberger, turi2 oder Anne Fromm zuhören – oder bei Christian Jakubetz, Julian Heck oder Karsten Wenzlaff nachlesen. In Sachen Wired sagen Harald Staun, Christian Meier und Andreas Weck ihre Meinung.
Webseiten brauchen Cover!
Ich will mich hier auf die Frage der Übersicht und die Abschaffung der Startseite wie wir sie kennen, konzentrieren. Das alles ist nur konsquent, denn der Innovationsreport der New York Times (über den ich hier mal schrieb), hat durchaus korrekt festgestellt: der Wert der Startseite nimmt ab. Dass diese als Prinzip und Orientierung aber weiterhin einen Wert hat, beweisen Wired und Krautreporter – wenn auch indirekt. Es fehlt auf beiden Seiten an Übersicht – das ist deshalb lustig, weil es auf Krautreporter sogar einen Link namens „Übersicht einblenden“ gibt. Was dann allerdings folgt, ist eine Auflistung nach Autoren und Themen, die eben genau das nicht bringt: Übersicht in Form von Gewichtung.
Wired versucht genau das über „Collections“ zu erreichen. Das ist ebenfalls modern, weil Medium damit arbeitet. Es ist unnötiger Weise englisch (wie die ganze Navigation: Members!?) und bleibt verwirrend. Das ist deshalb merkwürdig, weil Wired ja in hoher Auflage besitzt, was der Website fehlt: Übersicht in Form eines Magazins. Die gedruckte Ausgabe („Collection: „Magazine Articles“) ist in orientierender Weise gerade nicht liquid – sie besitzt in allgemeinverbindlicher Form Anfang und Ende und sie sagt mir: Das hier ist der Redaktion besonders wichtig, deshalb steht es auf dem Cover.
Beides vermisse ich bei Wired (im Netz) und bei Krautreporter. Dabei wäre die Lösung vergleichsweise einfach: Webseiten brauchen Cover! Die Idee einer Magazin-Titelseite darf meiner Meinung nach durchaus Verwendung im Web finden – als Übersichts- aber vor allem als Gewichtungsseite. Ich finde es zu schwierig herauszufinden, was die Redaktionen von Wired und Krautreporter wichtig finden. Mir erschließt sich nicht schnell genug, welche Inhalte sie hervorheben wollen und warum sie sie in dieser Kombination anbieten (Blattmacher). In diesen Metadaten rund um den reinen Inhalt liegt aber ein bedeutsamer Wert für Journalismus der Zukunft. Hier entsteht – wenn man es sehen kann – sowas wie Haltung, Identität und Leserbindung. Und um die geht es Krautreporter wie auch Wired. Man kann sich einloggen und in unterschiedlicher Form teilnehmen (warum eigentlich bei Wired gar nicht kommentieren?), weil beide Seiten erkannt haben, dass in der Bindung zum Leser ein Weg der Zukunft liegen kann.
Ich persönlich bin sehr gespannt, wie sie ihn gehen werden!
2 Kommentare
Hi Dirk,
schön, dass du das ansprichst. War mir bei beiden Seiten auch aufgefallen.
Ich würde dir gerne mal diesen Text ans Herz legen: http://techcrunch.com/2014/05/24/before-the-hamburger-button-kills-you/ Da geht es um den Hamburger-Button, den du oben mit deinen drei Strichen ja schon beschrieben hast. (Ich finde übrigens, man darf auch bei uns ruhig Hamburger-Button sagen.)
In dem Artikel wird dafür plädiert, den Hamburger Button abzuschaffen. Alles, was erst gedrückt/geklickt/gesonstwas werden muss, um aus dem Hintergrund hervorzukommen, sei nicht optimal und würde zu weniger Interaktion führen.
Der Autor beschränkt sich bei seiner Betrachtung zwar ausschließlich auf mobile Apps. Andererseits sind uns diese ja meist voraus, und ihr Design und ihre Vorzüge finden dann anschließend bei Desktop-Seiten Verwendung. (Du schreibst ja auch, dass der Hamburger-Button von mobilen Seiten stammt.)
Der Autor plädiert dafür, den Hamburger-Button loszuwerden. Und vielleicht hat er damit gar nicht Unrecht. Natürlich brauchen wir auch weiterhin Navigationsmöglichkeiten. Und Tabs sind eine Alternative. Genauso aber auch “The Great Unbundling Of 2014″, wie man es bei Techcrunch so schön nennt. Facebook, Twitter, Foursquare und Co haben ihre Angebote in den vergangenen Monaten vereinfacht, in dem sie sie aufgespalten haben. Ist das vielleicht ein Schritt, den wir in Zukunft auch im Journalismus sehen werden?
Ich kann mir das tatsächlich gut vorstellen. Beim WSJ gibt es entsprechende Bemühungen. Wer sich zum Beispiel ausschließlich für Technologie interessiert, der muss nicht wsj.com besuchen und anschließend über das Menü Apple, Microsoft und Co. navigieren. Er kann auch einfach WSJD.com aufrufen. Es gibt zwar noch keine entsprechende App. Aber vielleicht kommt ja auch so etwas demnächst noch. Unsere Rubriken haben doch auch in Deutschland heute schon alle eigene Twitter-Accounts und Facebook-Seiten. Steht uns also „The Great Unbundling 2014“ jetzt im Journalismus bevor?
Nur mal so eine Frage in den Raum.
Ich kann mich dem Wunsch nach einer Startseite nur anschließen.
Momentan orientiere ich mich anhand des Autors. Will ich etwas zur Rubrik „Medien“ lesen, such ich den neuesten Niggemeier-Artikel. Suche ich einen fundierten Artikel zu Außen- und Sicherheitspolitik, rufe ich einen Wiegold-Artikel auf.
Vielleicht ist meine Denke falsch, ermöglicht mir die Redaktion doch auch das Entdecken neuer Autoren und Themenfelder. Andererseits ist meine Zeit leider sehr begrenzt, so dass ich mich sowohl in Print als auch Online (vorwiegend RSS) auf bestimmte Rubriken beschränken muss: Politik, Sicherheit, IT, Medien, Wirtschaft geht immer. Lokales, Feuilleton und Wissenschaft am Wochenende, Sport und Reisen nie.
Ich mag die Idee hinter Krautreporter und wünsche dem Projekt – ohne mich vorzeitig abzuwenden – viel Erfolg. Momentan macht es mir aber klar, dass ich Thomas Wiegolds „Straßenmusik“-Projekt einmal wieder mit einer Spende bedenken sollte.