Bevor die Wahlergebnisse in den USA feststehen (ich hoffe, sie stehen bald fest), muss ich ein großes Lob an den Economist loswerden. Ich habe hier schon darüber gebloggt, weshalb ich die Berichterstattung des Magazins auf allen Kanälen so schätzen, dass ich mich für ein kostenpflichtiges Abo entschieden haben (in Kürze: Journalismus als Dienstleistung, die mich in Kürze auf den Stand der Dinge in einem Themengebiet bringt). Denn der Podcast „Checks & Balances“, die die Economist-Mitarbeiter:innen John Prideaux (US Editor), Charlotte Howard (New York bureau chief) und Jon Fasman (Washington correspondent) in den vergangenen Monaten auf die Beine gestellt haben, zählt mit zu dem besten, was ich an Wahlberichterstattung aus den USA konsumiert habe.
Glücklicherweise haben sie bereits vor zwei Wochen angekündigt, das Audio-Angebot fortzuführen. Das ist auch deshalb spannend, weil man neben den Inhalten Einblicke in die Arbeit des Magazins bekommt, das darauf verzichtet, den Artikeln Autor:innen-Zeilen beizufügen. Das verändert die Art des Journalismus auf eine erstaunliche Weise wie ich finde, weil nicht zuzuordnen ist, wer hinter welchem Text steckt. Im Podcast gibt John Prideaux manchmal Einblick in die Arbeit, so dass man erfährt, dass Charlotte Howard quasi nebenbei noch die Titelgeschichte recherchiert und geschrieben hat.
Dieser besondere Blick hinter die Kulisse ist etwas, was der Economist seinen Abonennt:innen auch in einem besonderen Newsletter gewährt: „An exclusive look at how we decide on our cover“ heißt und ist der Newsletter, der in dieser Woche nicht nur das aktuelle Motiv oben rechts erläutert (bitte ehrlich sein: Wer hat das Trump-Konterfrei rechts neben der Flagge sofort gesehen?), sondern im Rückblick auch die Kampagne oben links aus dem Jahr 2016 erklärt.
Aber eins nach dem anderen: Ich erwähne diesen Newsletter weil er beispielhaft zeigt, wie der Kontext eines Inhalts Wert schaffen kann, der für Fans Bedeutung bekommt. Der Inhalt (das Cover) ist für alle sichtbar, aber der Kontext (die Entstehungsgeschichte) ist nur für Abonennt:innen nachvollziehbar – und deshalb wertvoll. Denn stets wird beschrieben, wie die Titelredaktion beim Economist arbeitet, welche Varianten sie geschaffen hat und warum sie sich dann für eben diese Option entschieden hat. Hier wird nicht nur das Produkt verkauft, sondern über den Prozess die besondere Qualität gezeigt (das ist ein perfektes Beispiel für das Prinzip, das ich als Kultur als Software denken beschreibe). Das finde ich nicht nur beispielhaft für digitales Denken, sondern auch äußerst interessant.
Congrats @TheEconomist . Self-explanatory Billboard in NYC pic.twitter.com/WbVSMb31is
— Dominique Delport (@domdelport) May 7, 2016
Denn durch den Newsletter wurde ich an die tolle Zeile erinnert, die vor vier Jahren erfunden wurde. Sie macht aus dem Namen Donald Trump durch simple Fettung von vier Buchstaben eine politische Botschaft DONald Trump. Das Motiv oben ist dabei eine Montage, aber der Slogan und die deutliche Aussage bleiben dadurch unberührt. Der Economist hatte sich schon vor vier Jahren deutlich gegen Trump ausgesprochen. Und der Texter und Art Director Stephen O’Neill (hier aussführlich) und seine Agentur AML (hier ausführlich auf LinkedIn) hatten damals erklärt, wie sie auf die Idee kamen.
Die Fettung war auch in diesem Jahr eine Option fürs Economist-Cover lese ich im Newsletter, eine zweite bestand darin, den Trump Slogan „Make America Great Again“ mit dem Satz „The Case for Joe Biden“ zu kombinieren, was sicher auch schön gewesen wäre. Die Entscheidung fiel schlussendlich auf die Flagge mit dem Trump-Konterfrei. Ein ziemlich tolles Cover wie ich finde – und da der Text dazu auch empfehlenswert ist, hier noch ein Lektüretipp während alle auf die Ergebnisse warten.