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In diesem Blogeintrag wirst du lernen, warum derartige Vorbemerkungen (die ich ankündigende Zusammenfassungen nenne) zur Zeit überall auftauchen und welche Rolle sie beim Konzept des inspirierenden Journalismus spielen. Mehr zum Thema Inspirierender Journalismus gibt es hier im Blog:
Inhaltsverzeichnis
> Definition: Was ist inspirierender Journalismus?
> Zusammenfassung
> Sprungmarken für die SEO-Optimierung
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Es reichen sechzig Sekunden.
Das „Die Zerstörung der CDU“ genannte Video dauert zwar insgesamt fast 55 Minuten, doch um zu verstehen, wie Rezo den Journalismus nachhaltig verändert hat, reichen die ersten Sekunden seines Videos. Er beginnt die Zerstörung nämlich mit der Ankündigung dessen, was er im Folgenden tun wird: Zerstören. Im Original-Ton klingt das so…
„Ich werde in diesem Video zeigen, wie CDU-Leute lügen, wie ihnen grundsätzliche Kompetenzen für ihren Job fehlen, wie sie gegen deutliche Experten-Meinung Politik machen, wie sie sich augenscheinlich an verschiedenen Kriegsverbrechen beteiligen, wie sie Propaganda und Unwahrheiten gegen die junge Generation einsetzen, wie bei ihrer Politik in den letzten Jahrzehnten die Reichen immer mehr gewinnen und alle anderen immer mehr ablosen und ich zeige, dass nach der Experten-Meinung von zigtausenden deutschen Wissenschaftlern, die CDU aktuell unser Leben und unsere Zukunft zerstört.“
… und fasst auf diese Weise vorab zusammen, was nun folgen wird. Ich nenne diese Form der vorangestellten Bewertung: Ankündigende Zusammenfassung. Rezo nutzt diese Form in zahlreichen seiner Videos und auch außerhalb von Clips sehen wir die ankündigende Zusammenfassung, die auch in wissenschaftlichen Texten, in der so genannten Management Summary oder ganz banal in einem „Take away“ genannten Wissenskondensat (Foto: Unsplash) Anwendung findet, immer häufiger.
Warum ist das so?
Ich sehe dafür zwei Hauptgründe. Der erste ist technischer, der zweite inhaltlicher Natur.
Der technische Grund liegt an den Suchmaschine genannten Filter-Robotern, die durchs Web krabbeln, Informationen einsammeln und bewerten. Für die Gewichtung sind ankündigende Zusammenfassungen Gold wert. Am besten so wie im oberen grauen Kasten: mit Definition, Sprungmarken und Schlagworten, die eine interne Verlinkung und Bezugnahme zeigen und möglichst alle relevanten Begriffe in dem Kontext „Was ist eine ankündigende Zusammenfassung?“ oder „Definition: Ankündigende Zusammenfassung“.
Dieses Inhaltsverzeichnis spiegelt dem menschlichen Auge eine Art Übersichtlichkeit vor, sie zeigt, was auf dieser Seite zu erwarten ist und bringt die wichtigsten Begriffe auf den Punkt – aber es ist gar nicht fürs menschliche Auge geschrieben. Diese ankündigende Zusammenfassung ist für die Suchmaschinen geschrieben worden. Sie sollen helfen, Menschen auf die entsprechenden Seiten zu führen. Das funktioniert so gut, dass man ankündigende Zusammenfassungen mittlerweile auf allen Seiten findet, die so genannten evergreen-content in so genannten verticals sammeln. So nennt man nämlich Inhalte, die nicht tagesaktuell sind und hohes Suchvolumen versprechen. Menschen, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren (das in den Schlagworten möglichst umfänglich eingegrenzt werden sollte), werden auf diesem Weg von ihrem Suchinteresse auf Webseiten geführt. Klassische journalistische Nachrichtenfaktoren wie Aktualität oder Nähe spielen hier eine immer geringere Rolle, wichtiger sind Schlagwort-Dichte, glaubwürdige Aufmachung und ein deutliches Nutzungsversprechen, das in der ankündigenden Zusammenfassung ausformuliert wird.
Damit kommen wir zum inhaltlichen Grund für den Siegeszug der ankündigenden Zusammenfassung: Sie stellt das Interesse der Nutzer:in in den Mittelpunkt und zeigt – in your face! – warum es diesen Text oder Beitrag überhaupt gibt. Wer ein konkretes Beispiel für die von Simon Sinek formulierte „Start with the Why?“-Theorie sucht: die ankündigende Zusammenfassung liefert genau dies, die Antwort auf das Warum? für diesen Beitrag oder Text.
Warum veröffentlicht Rezo ein Video wie Die Zerstörung der CDU? Die Antwort findet sich in den ersten sechzig Sekunden seines Clips. Und genau in diesen sechzig Sekunden kann man deshalb auch ablesen, was inspirierenden Journalismus ausmacht: er liefert seinen Leser:innen einen Grund, eine Antwort auf die Frage „Warum soll ich das jetzt lesen?“.
Ich habe zum Thema Inspirierender Journalismus bereits hier geschrieben und werde 2021 noch mehr dazu veröffentlichen. Wenn Sie sich dafür interessieren, empfehle ich Ihnen meinen kostenfreien monatlichen Newsletter. Wenn Sie zu dem Thema etwas beitragen möchten oder eine Anmerkung haben, lade ich Sie ein: Schreiben Sie mir (die Kontaktadresse finden Sie im Impressum). Einige Leser:innen haben mir (vielen Dank!) bereits geschrieben. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Austausch im Jahr 2021 hier im Blog Niederschlag finden wird.