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Dieser Text ist Teil der Januar-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, den man hier kostenlos abonnieren kann.
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Was passiert wenn man „Sachen mit digitalen Elementen“ kauft und diese nach einer Weile nicht mehr mit der jeweils aktuellsten Software kompatibel sind? In diesem Monat wurde dazu ein Referenten-Entwurf des Bundesjustizministeriums veröffentlicht, der Aktualisieurungen im BGB zum Thema Aktualisierung vornehmen soll. Der Begriff „Updatepflicht“ steht in dem Entwurf zwar nicht, für nicht Jurist:innen ist das aber die zentrale Antwort, die auf die Einstiegsfrage gegeben werden soll:
Die unterbliebene Bereitstellung von im Kaufvertrag vereinbarten Aktualisierungen begründet einen Sachmangel der Sache mit digitalen Elementen. Darüber hinaus stellen auch fehlerhafte oder unvollständige Aktualisierungen einen Mangel der Sache dar, da dies bedeutet, dass solche Aktualisierungen nicht so ausgeführt werden, wie es im Kaufvertrag festgelegt wurde.
Die Aktualisierungen im Kaufvertragsrecht haben ein Ziel: sie sollen Verbraucher:innen auf dem aktuellen Stand halten. Es soll ihnen künftig möglich sein, auch mit älteren Geräten neue Software nutzen zu können – ohne dass der Kauf eines aktuelleren Gerätes erzwungen wird. Im Sinne der Nachhaltigkeit und der Verbraucher:innenschutzes ist das eine sehr gute Idee. Sie hat bei mir aber einen weiteren Gedanken ausgelöst: Was wäre eigentlich, wenn wir die Updatepflicht nicht nur für Sachen mit digitalen Elementen denken, sondern für die gesamte Gesellschaft?
Wir leben in einer Welt „mit digitalen Elementen“, wie wäre es, wenn für sie die gleichen Bedingungen gelten wie für „Sachen mit digitalen Elementen“? Das würde bedeuten, dass die fehlende Bereitschaft zum Update einen Sachmangel begründet.
Ich muss bei dem Wort “Updatepflicht” immer an Leute denken, die glauben, Sprache sei nur dann richtig, wenn sie so bleibt wie sie sie mal kennen gelernt haben https://t.co/qhX3VrvKDp
— Dirk von Gehlen (@dvg) December 23, 2020
Aus guten Gründen gibt es die Schulpflicht. Der Staat will damit sicherstellen, dass Kinder Zugang zu Bildung haben. Warum endet diese verpflichtende Form der Bildung eigentlich mit dem Schulabschluss? Müssen Menschen nach dem 18. Geburtstag nichts mehr lernen?
Es ist doch im Gegenteil so, dass wir überall hören, dass lebenslanges Lernen in einer komplexen Welt an Bedeutung gewinnt. Wo sind die Institutionen, die dies ermöglichen? Wäre eine Updatepflicht für die Gesellschaft nicht eine gute Möglichkeit, um Menschen jenseits des Schulbesuchs auf dem aktuellen Stand zu halten?
Ich mag die Idee, 15 Jahre nach dem Berufseinstieg ein verpflichtendes Fortbildungsjahr für alle Menschen in diesem Land einzuführen. Und mit dem Begriff „Updatepflicht*“ gäbe es jetzt sogar einen passenden Begriff dafür. Er würde die Tür zu einer verpflichtenden Form der Erwachsenenbildung öffnen. Medienkompetenz, der Umgang mit neuen Technologien, alles, was seit dem eigenen Schulbesuch relevant und wichtig geworden ist (zum Beispiel Sprache), gehört auf den Lehrplan der Updatepflicht. Es wäre nicht nur ein Update für jede:n Einzelne:n, es würde die gesamte Gesellschaft aufs nächste Level heben (Foto: Unsplash)
Und keine Sorge: durch das Erlernen neuer Fähigkeiten gehen die Dinge, die ältere Menschen in der Schule gelernt haben, nicht verloren. Sie werden nur vielleicht nicht mehr alle trainiert. Jason Feifer vom unbedingt empfehlenswerten Podcast „Pessimists Archive“ hat dazu gerade eine sehr interessante Podcast-Folge gemacht, in der er der Frage nachgeht, warum wir eigentlich immer glauben, Technologie würde bestimmte Fähigkeiten sterben lassen. Die Antwort: Wir brauchen eine andere Haltung dem Neuen und Unbekannten gegenüber!
Wann könnte man das besser üben als am Übergang von einem Jahr zum nächsten. Und was wäre besser geeignet um diesen Möglichkeitssinn zu trainieren als eine gesellschaftliches Updatepflicht?
* ich stelle updatepflicht.de übrigens gerne der Kulturminster:innen-Konferenz zur Verfügung ;-)
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Dieser Text stammt aus dem monatlichen Newsletter Digitale Notizen, in dem 2020 diese Folgen erschienen sind:
„Inspirierender Journalismus“ (Dezember 2020)
„Die Meinungsmodenschau“ (November 2020)
„Fünf Gründe, sich genau jetzt ernsthaft mit Memes zu befassen (Oktober 2020)
„Im Gegenteil! Drei Versuche über Vernunft (September 2020)
„Weniger schafft mehr – Das Prinzip Steigerung durch Begrenzung“ (August 2020)
„Der Matthäus-Effekt der Aufmerksamkeit“ (Juli 2020)
„Früher ist gar nicht so lange hier – die Sache mit der Nostalgie“ (Juni 2020)
„Wie digitales Denken in der Corona-Krise helfen kann: fünf Vorschläge“ (Mai 2020)
„Glück auf – wir sind nicht allein“ (April 2020)
„Die Nazis werden uns das Internet wegnehmen“ (März 2020),
„Die Empörung der anderen“ (Februar 2020),
„Zehn Dinge, die ich in den Zehner Jahren gelernt habe“ (Januar 2020)
Hier kann man ihn kostenlos abonnieren.
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