Damals als Clubhouse noch neu und cool war, waren alle im Ruheraum. Über die Grenzen des deutschsprachigen Raums (sic!) hinweg, hat Leander Wattig mit seiner Idee des „Schweigen als Gemeinschaft“ in dem Hype der vergangenen Wochen einen besonderen Trend gesetzt. Ich habe ihm zum Thema Ruheraum ein paar Fragen geschickt, die sich im Laufe der Zeit als Abschieds-Interview entpuppten.
Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Raum zu erfinden, der das Gegenteil dessen in den Mittelpunkt stellt, worum es ursprünglich beim Clubhouse geht?
Ich bin notorisch neugierig und mag es, Dinge um die Ecke zu denken. Zudem ist das Rumdenken auf möglichen Inhalte- und Community-Formaten ohnehin mein Job. Insofern habe ich auch bei Clubhouse überlegt, wie man es gegen den Strich bürsten kann, was ja gerade in Frühphasen solcher Plattformen immer gut geht. Und das Prinzip Ruheraum ist ja ein altbekanntes, das kenne ich schon aus „alten Zeiten“ beispielsweise von Kirchentagen. Bei Clubhouse war es aber komplett neu und überraschend, als ich es am 22. Januar gestartet hab, und schlug entsprechend ein mit sofortiger großer Aufmerksamkeit bis hin zu Presseartikeln.
Mittlerweile wird das Konzept in unzähligen Facetten imitiert. Kannst du erklären, was der Reiz am gemeinsamen Schweigen ist?
Ich bekam dann auch sofort ständig Zuschriften von völlig irritierten Leuten, die den Sinn nicht verstanden und ihn komplett abgesprochen haben. Ich hatte es ja bewusst offen gelassen mit dem „Ruheraum“, was den gewünschten Effekt mindenstens verstärkt hat. Aber es steckte eben doch etwas dahinter. Ich habe es gern Schweigen als Gemeinschaft genannt. Also, man ist beisammen, ohne aktiv zu sprechen, aber eben doch verbunden. Und diese Verbindung bleibt immer besonders, weil gefährdet, indem jederzeit Lärm entstehen kann (was ab und an auch passiert) seitens der zahlreichen Leute auf der Bühne, die ich ihrerseits immer gezielt kuratiert habe auf Vielfalt hin in jeder Hinsicht. Viele Leute, die es erst für völligen Quatsch hielten, waren dann nach dem Ausprobieren schnell fest dabei. Nach einer Woche und bis wir dann gesperrt wurden hatten wir entsprechend hohe und stabile Teilnehmerzahlen von 1.000 bis 2.000 Menschen zu jeder Zeit am Tage. Selbst nachts blieben bis zu 1.000 Leute dabei, was es umso besonderer macht. Der Reichweitenerfolg führte nicht nur dazu, dass ungefähr jeder in der Clubhouse-Welt den Ruheraum gesehen hat, sondern auch zu zahllosen Copycats – zu Beginn von Leuten, die allesamt bei uns abhingen oder nicht auf die Bühne durften. :)
Die Kopien verspielten für mich aber den eigentlichen Zauber, indem sie das vordergründig Nutzwertige eines aufwandsarmen „stillen“ Vernetzens in den Vordergrund rückten und es wohl auch noch tun. Ich habe das nicht mehr so genau verfolgt, seit wir seitens der Plattform gesperrt wurden.
In deinen Social-Media-Accounts zeigst du immer mal wieder äußerst merkwürdige Folgen und Reaktionen auf deine Idee – auch die Sperrung. Was hat dich am meisten beschäftigt, seit der Ruheraum in der Welt ist?
Ich liebe vor allem die fröhliche Irritation, die der Raum gestiftet hat. Am meisten macht die Leute immer fertig, wenn sie etwas nicht gleich verstehen und es auf den ersten Blick keinen Nutzen hat. Das hat mich auch im Kern angetrieben, das Ding weiterlaufen zu lassen, was ja auch einiges an Aufwand im Hintergrund bedeutet hat. Am Ende ist es ja auch das Moment, welches heute im Internet und in Social Media oft fehlt – das freundlich Verspielte im Miteinander. Jedenfalls gab es unzählige Tweets und Botschaften als Beispiele dafür und eben jene Dynamik führte hin bis zu Artikel in den Printausgaben u.a. von NZZ, DerStandard und Meedia.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Ruheraum?
Erst wurden wir wegen einer erfolgreichen Vermarktungsaktion von der Plattform gesperrt (irgendwelche Neider müssen mich gemeldet haben) und ich habe es jetzt auch nicht mehr neu aufgesetzt, weil die Aktion für mich rund ist. Seit dem 6. Februar ist der originale Ruheraum damit final beendet und aktuell ist da auch nichts geplant. Aber wer weiß, auf welche Ideen ich noch so komme. Der Raum selbst war ja auch nicht geplant, sondern eine fixe Idee beim Essen am Strand in meinem OstseeOffice.
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Mehr zum Thema Cluhouse und Drop-In-Audio gibt es in den Digitalen Notizen:
– Shruggie des Monats: Deine Stimme
– Shruggie des Monats: Digitale Präsenz
– Der Hype um Clubhouse
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