Zehn Comedians in einem Raum, sechs Stunden Zeit und nur eine Vorgabe: Niemand lacht! Das sind die Zutaten für eine TV-Show, die seit ein paar Tagen in Deutschland unter dem Titel „Last one Laughing“ bei Amazon Prime zu sehen ist. Das Konzept stammt aus Japan, wo Hitoshi Matsumoto schon 2016 unter dem Titel Documental aus dem Nicht-Lachen eine lustige Sendung machte. Die Idee wurde in den vergangenen Jahren bereits nach Australien und Mexiko übertragen und soll jetzt mit Michael Bully Herbig als Kopf auch in Deutschland erfolgreich werden.
Ich finde die Sendung nicht nur erstaunlich lustig, sie ist überraschender Weise auch ein gutes Beispiel für Kreativität. Denn obwohl hier vermeintlich kopiert wird, steckt in dem Konzept Lehrmaterial für alle, die sich für neue Ideen interessieren.
Deshalb hier fünf Dinge, die ich bei Last one Laughing (LoL) über Kreativität gelernt hat:
1. Adaption macht den Unterschied
Wenn man sich die japanischen, australischen und mexikanischen Versionen des „Nicht Lachen!“-Humors anschaut, fallen kleine Unterschiede zur deutschen Adaption auf. Neben gelben und roten Karten, die in Deutschland komplett fehlen, sticht vor allem ins Auge: in der deutschen Fassung spielt Geld eine viel geringere Rolle. In der Ursprungsversion bringen die Comedians eine Geldsumme mit, die sie jeweils verlieren, wenn sie lachen und das Haus verlassen. Dieser Aspekt wird in Deutschland komplett ausgelassen. Es gibt eine Gewinnsumme, die zudem auch nicht dem/der Letzt-Lachenden gehört, sondern gespendet wird.
Ich glaube es gehört zur Kreativität, Details zu bedenken, die den Unterschied machen. Das ist u.a. das Sympathische an der deutschen Variante, dass der Wettstreit sich nur um den Spaß dreht und nicht extrinsisch durch Geld angefeuert wurde. Auch deshalb fühlt sich die Sendung kaum nach Big-Brother-Reality-Show an, obwohl sie das Grundsetting nutzt.
2. Kopieren ist kreativ
Wie schon beim internationalen Erfolg „Perfetti Sconosciuti“, der als „Das perfekte Geheimnis“ in deutschen Kino lief (und über den mein Kollege Alex Rühle hier in der SZ schrieb) zeigen auch die Lachverbot-Kopien von LOL: Kreative Schöpfung entsteht auch in der Adaption. Es ist ein Irrglaube, Kreativität stets als Alleinschöpfung zu denken. Es geht um Referenz, Bezug und Fortentwicklung. Und gerade im Vergleich zeigt sich, welche Fassungen kreativer sind. Außerdem legt der internationale Vergleich offen, was den Erfolg in den sehr unterschiedlichen Kontexten ausmacht. Beim perfetti sconosciuti war es das Spiel mit Wahrheit und Lüge, im Fall von Last one Laughing geht es um den sehr menschlichen Reflex lachen zu wollen bzw. es nicht zu dürfen.
Aus kreativer Perspektive sollte man eher auf die kleinen Unterschiede in den Kopien schauen, an denen sich die originelle Leistung zeigt, als das ganze Format als billiges Plagiat abzuwerten.
3. Grenzen schaffen neue Räume
Gemeinhin wird Kreativität dort vermutet, wo besondere Offenheit gewährt wird. Dass Grenzen sich eher positiv auf neue Ideen auswirken, kann man auch an der Lachverbots-Grenze zeigen. Sie stimuliert nicht nur Kreativität, sie schafft auch den besonderen Humor. Als Vater dieser Idee kann vermutlich Schwanzus Longus aus „Das Leben des Brian“ gelten. Hier sieht man römisches Wachpersonal, das vor Pontius Pilatus versucht das Lachen zu unterdrücken, wenn dieser mit Sprachfehler den Namen seines Freundes ausspricht. Mittlerweile gibt es zahllose Varianten von dieser Idee, die als You Laugh, You Loose, als Alman Witze und als Aushalten: Nicht lachen durchs Web geistern.
Ihren Humor und ihre Kreativität ziehen diese Formate einzig aus der Begrenzung. Denn je klarer die Grenzen gezogen sind, um so kreativer kann man damit spielen. Grenzen sind aus dieser Perspektive also keine Beschränkungen deiner Kreativität, sie stärken und formen sie vielmehr.
4. Feedback ist Teil der Kreativität
Wenn Leute lachen, muss es lustig sein. Sitcoms haben diese wenig subtile Botschaft zum Allgemeingut gemacht. Durch das Ausbleiben der Publikumsreaktion fordert Last one laughing nicht nur die Comedians heraus, die gewohnt sind, Lacher als Antwort auf ihr Spiel zu erhalten. Die fehlende Reaktion zeigt vor allem, wie wichtig Feedback für unser Urteil und damit auch für Kreativität ist. Erst durch das Zusammenspiel mit denen, die eine neue Idee hören, kann eine gute Idee entstehen. Wie ein Phantomschmerz fehlt das Lachen der Anderen wenn man zum Beispiel Heino mit Helium-Gas-verzerrter Stimme singen aber niemanden lachen hört.
In Bezug auf Kreativität ist dieser Phantomschmerz die Erinnerung daran: Du kannst Kreativität befördern, indem du anderen auf konstruktive Weise Feedback gibst. In der Anleitung zum Unkreativsein habe ich diese kreativitätsverstärkende Form der Rückmeldung „Kreativen Imperativ“ genannt.
5. Das Gegenteil hilft
Die wichtigste Voraussetzung, um kreative Lösungen zu finden, ist die Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Last one Laughing illustriert genau dies auf perfekte Weise. Denn manchmal ist der beste Weg zur Lösung, der Wunsch, das Gegenteil zu erreichen: Wer eine lustige Sendung entwickeln will, verbietet genau das, worum es geht: das Lachen! Das klingt nur im ersten Moment absurd, es ist bei genauerer Betrachtung aber eine der besten Methoden zu kreativen Einfällen. Mehr dazu auch in der aktuellen Wirbt das?-Folge, die sich mit der Takalp-Werbung befasst. Genau nach dem Prinzip funktioniert die „Anleitung zum Unkreativsein“.
Die Offenheit zum Perspektivwechsel kann man üben. Denn wer den Blick verändert, die Frage anders stellt oder aus anderer Warte auf Themen schaut, geht schon den ersten Schritt zur kreativen Lösung. Dazu gibt es ab 12. April einen Workshop auf Steady, der den Perspektivwechsel trainiert. Noch sind wenige Plätze frei!