Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletters.
Der Begriff „Netzkultur“ ist dabei bewusst offen und der zeitliche Bezug kann schlicht daran liegen, dass mir dieses Phänomen erst in dem Monat aufgefallen ist. Die Charts aus den Vormonaten stehen hier.
Mehr Netzkultur gibt es auch in dem Instagram-Account @kommemetare
Platz 1: Olaf „Meme“ Scholz
„Bin gespannt auf die Memes“ Der Satz hat es in sich. Es folgt keine Erklärung, keine weitere Beschreibung was denn mit Memes gemeint sein könnte. Im September 2023 geht der Bundeskanzler dieses Landes davon aus, dass wir wissen was Memes sind – und dass wir wissen, wie sie funktionieren. Zumindest Scholz und dessen Social Media Team wissen es sehr genau. Sie haben mit dem Augenklappen-Meme verdient die Spitzenposition der Netzkulturcharts erreicht. In diesem Interview mit dem WDR habe ich erklärt, warum ich die Aktion ziemlich beeindruckend finde.
Platz 2: Viral Hooks
Ein guter erster Satz zieht dich rein. Das gilt für Texte wie für Tiktoks. Die so genannten Hooks sind mittlerweile sogar auf der Meta-Ebene Thema im Netz: Wie muss ein Einstieg gestaltet sein, um deine Aufmerksamkeit zu bekommen? Mit der Antwort auf die Frage befassen sich zahlreiche Videos – wie dieses hier. Noch besser gefällt mir aber dieser Clip, der das Thema Attention Hacking nicht nur auf die ersten drei Hook-Sekunden bezieht, sondern selbst als Loop funktioniert und die Nutzung von Jump Cuts, Memes und weiteren Techniken empfiehlt, um die wichtigste Währung auf Tiktok zu bekommen: die Aufmerksamkeit der Zuschauenden.
Platz 3: Das Römische Reich
Es sind gleich drei Zutaten, die für viralen Erfolg sprechen: es geht um Männer und Frauen, es geht um absurde Tiktok-Begeisterung und es geht um Geschichte. Genauer gesagt, geht es um das Römische Reich. Angeblich denken Männer nämlich erstaunlich oft an das Römische Reich, das behauptet jedenfalls eine aktuelle Studie, die zu einem beachtenswerten Trend auf Tiktok wurde. Zur Illustration habe ich das schöne „Ich wette er denkt an eine andere Meme“ gewählt (zu dem auf kommemetare ein wenig Hintergrund steht)
Platz 4: Edgar, die Frisur
Eine merkwürdige Männer-Frisur mit schweizer-deutschem Dialog ist zu einem erstaunlichen Netztrend im September geworden. Der Account Luksan Wunder hat ihn dieser Tage mit einem Wortspiel gewürdigt – und die taz hat den viralen Frisurentrend zu erklären versucht: „Eine Frisur, benannt nach dem berühmten Baseball-Spieler Edgar Martinez. Vorne werden gerade Fransen geschnitten, oben bleiben die Haare lang und lockig. Das Ergebnis sieht aus wie eine gentrifizierte Version des Topfschnitts, eine Salatschüssel mit gemischtem Zeug obendrauf.„
Platz 5: Das Tiktok-Spezial der Bundeszentrale
Es ist selbst kein viraler Trend, befasst sich aber gut strukturiert mit solchen: Das Dossier „Lernen mit – und über – Tiktok“ der Bundeszentrale für politische Bildung verdient mehr Aufmerksamkeit. Es ist ein sehr pragmatischer Einstieg in das Thema, für das Tiktok-Researcher Marcus Bösch als Autor gewonnen werden konnte.
🎵 Ungebetene Ohrwürmer* des Monats 🎵
- Jain: „Makeba„
- Spider Murphy Gang: Skandal im Sperrbezirk
- Juse Ju: Das bleibt alles so wie es ist
- Richy Mitch & The Coal Miners: „Evergreen“
- David Kuschner „Daylight“
* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.
Besondere Erwähnung
Im amerikanischen Internet ist die Beziehung zwischen Taylor Swift und dem American-Football-Spieler Travis Kelce eine große Sache. Besonders gefällt mir dieser POV-Trend, bei dem Frauen ihren Mann filmen und diesem erklären, dass Tayler Swift den vorher ja offensichtlich gänzlich unbekannten Travis Kelce allein durch ihre Anwesenheit zu einem Star gemacht habe.
Der Guardian hat eine tolle Übersicht von herrlichen Quatsch-Websites erstellt.
Was ist Rush Tok? Die LA-Times erklärt das Phänomen.
Weil das Bluesky-Phänomen langsam nach Deutschland schwappt: Hier ist erklärt wie man sich bei Mastodon anmeldet. Dort findet Ihr alles, was Ihr von einem guten Netzwerk erwarten sollte. Nur halt ohne den Invite-Hype.
Gute Analyse zum Thema: Das Verknappungs-Problem von Zitat Kacheln
Ebenfalls gut analysiert: Wie Tiktok Konzerte verändert