Dieser Text ist Teil der Februar-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, den man hier kostenlos abonnieren kann.
Anfang des Monats kündigte die Foto-App BeReal an, sich jetzt auch für Brands und Stars zu öffnen. Einige bekanntere Prominente und Marken sind bereits in der App aktiv. Deshalb stellt sich die Frage: Muss ich jetzt auch auf BeReal aktiv sein?
Dieser Beitrag liefert die letztgültige Antwort ⤵️
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Nein!
Du musst überhaupt nix. Texte, die mit dieser Frage-Mechanik ködern, spielen meist mit deiner Angst etwas zu verpassen – und fallen immer unter die Logik des so genannten Betteridge-Gesetz für Überschriften. Statt auf sie hereinzufallen, ist es ratsam der Frage nachzugehen: Was möchte ich erreichen? Wofür will ich bekannt sein? Denn auf diese Fragen folgt meist die viel relevantere Antwort für die Ausrichtung der eigenen Social-Media-Aktivitäten. Und ob BeReal da eine Rolle spielt, wage ich zum derzeitigen Zeitpunkt stark zu bezweifeln (hier meine kleine BeReal-Einschätzung aus dem Sommer 2022)
Wenn wir aber schon beim Thema Social-Media sind, lohnt sich eine genauere Analyse. Denn nicht nur wegen des 20. Geburtstag des Social-Media-Opas Facebook (hier eine kleine Interview-Einschätzung aus Deutschlandfunk-Kultur) war dieser Monat geprägt von Ein-, Aus- und Überblicken zu der Veränderung in dem Ökosystem, das wir bisher Social-Media nannten.
Der Economist rief Das Ende des Sozialen-Netzwerks aus, im Social-Media-Watchblog analysierten Simon und Martin warum die Hoffnung auf einen Twitter-Nachfolger vergeblich ist und in seinem neuen Newsletter lieferte mspro eine lesenswerte Analyse der Entwicklungen.
Dabei geht es vor allem um den Wandel der auf öffentliche Follower aufgebauten Netzwerke und die damit verbundene Frage, ob sich das Fediverse durchsetzen kann (Netzpolitik schreibt über die Optionen) – indirekt geht es dabei aber auch um BeReal und den Rückzug in das weniger öffentliche Social-Media (das ich früher mal Dark Social nannte). Diese beiden Entwicklungen werden die Zukunft von dem bestimmen, was wir Social Media nannnte:
- Vom Account- zum Inhalte-Prinzip
Die neuen Algorithmen legen weitaus weniger Wert auf die Anzahl der Follower, die ein postender Account hat. Es geht um den singulären Inhalt, der einer kleinen Gruppe vorgespielt wird – und auf Basis dieser Reaktionen bewertete und verbreitet wird. Der singuläre Inhalt wird somit bedeutsamer, der Account verliert an Bedeutung (was für jegliche Form von Selfpromotion echt anstrengend ist). - Von der öffentlichen Reichweite zur Freundeskreis-Wirkung
Inhalte öffentlich zu posten, ist immer weniger eine private Sache, die du und ich tun können. Der Unterschied zwischen Sendern (Creator) und Empfängern (Publikum) wird wieder bedeutsamer werden – und das Publikum wird in abgeschlossenen Gruppen interagieren. BeReal und Chatgruppen sind die bekanntesten Beispiele für diese zweite Entwicklungs-Linie.
Ob diese Entwicklungen das Problem lösen wird, das Cory Doctorow Enshittification genannt hat? Keine Ahnung. Die Frage, die sich meiner Meinung nach aber immer dringlicher stellt, lautet:
Warum bist du noch auf Twitter/X?
Ich habe durchaus Sympathie für diesen Appell an die Hochschulrektoren-Konferenz, der fordert die Plattform jetzt langsam aber sicher zu verlassen! (Details u.a. hier)
Dieser Text stammt aus dem monatlichen Newsletter Digitale Notizen, in dem ich mich seit Jahren mit Social Media befasse. Zu dem Thema habe ich auch mehrere Bücher geschrieben.