I’ll Be Your Mirror – wie KI-Kunst Lou Reed sprechen lässt

I'll be your mirror
Reflect what you are, in case you don't know

Mit diesen Worten beginnt der Song „I’ll Be Your Mirror“, den Lou Reed für die Sängerin Nico seiner Band Velvet Underground schrieb. Das ist fast sechzig Jahre her. Seit dem hat sich an der Funktionsweise eines Spiegels nicht viel geändert. Die Metapher hat aber ihren Wirkungsraum erweitert: „Reflect what you are“ meint heute mehr als auch noch 2009 als Lou Reed den Song mit seiner Ehefrau Laurie Anderson in Paris spielte.

Laurie Anderson hat die Idee der Reflektion jetzt in einer Ausstellung in Australien weitergeführt – und wenn man so will mit Hilfe von KI digitalisiert. Für die Ausstellung „I’ll Be Your Mirror“ in Adelaide hat sie eine KI mit ihren eigenen Texten und jenen ihres 2013 verstorbenen Ehemanns Lou Reed gefüttert:

“I was working with the Machine Learning Institute and Sia Furler Institute in Adelaide and they made algorithms out of things I’ve said and written, creating a writing machine made from my vocabulary, pace and style. They did the same with Lou Reed, my partner for 21 years. These are activated by writing short phrases. The engines then write in those styles, which can also be combined or put into prose.”

Ich finde das faszinierend. Denn die Frage, wie derartig trainierte KIs ihre gespiegelte Vorlage überleben können, beschäftigt mich, seit meine Kolleg:innen ChatDVG gebaut haben (hier mein Beitrag, der auch mit der Spiegel-Metaphorik spielt).

Dass sich mehr Menschen dafür interessieren, klingt auch im taz-Gespräch mit der Cyberphilosophin Elaine Kasket an, die der relevante Frage allerdings am Ende ausweicht:

Ich habe das Gefühl, wir reden diese Entwicklung im Moment herbei. Also den Einsatz von KI, um geliebte Personen neu zu erschaffen und zu verewigen. Das Thema wird gerade riesig, aber ich glaube nicht, dass es eine gute Antwort ist. Nicht nur, weil der CO₂-Fußabdruck auch für die Entwicklung und das Training von KI unglaublich groß ist. Mir geht es eher darum: Warum brauchen wir plötzlich solche künstlichen Fortsetzungen geliebter Menschen?

Erstaunlicherweise gibt Laurie Anderson in einem Bericht im Guardian über ihre Lou Reed-KI genau darauf eine Antwort:

Wenn Menschen sterben und man ihre Worte hört oder ihre Musik hört oder ihre Sachen liest, ist es, als wären sie lebendig, wissen Sie? In vielerlei Hinsicht sind sie da. Das kann man über Dostojewski, Platon und Buddha sagen. Die Leute lassen Dinge herumliegen, und das finde ich in Ordnung so. Ich meine, wir sind nur Eintagsfliegen, wirklich.


Hier im Blog schreibe ich häufiger über KI unlängst z.B. über die „Lösung für das KI-Problem“: die seltsame berufliche Internet-Laufbahn. Und für die aktuelle Journalisten-Werkstatt des Medium Magazins habe ich eine Anleitung für bessere Fehler verfasst. Sie heißt Mut zu Fehlern. Meinen Blick in den KI-Spiegel habe ich hier beschrieben.