Nichts könnte falscher sein als der letzte Satz des Tocotronic-Songs „Ich bin neu in der Hamburger Schule“, in dem der singende Ich-Erzähler darüber spekuliert, nie einen Abschluss machen zu können: „Denn hier gibt es ja immer Applaus“
Hätte es immer Applaus für die Doku gegeben, die die ARD Ende Mai über die Hamburger Schule gesendet hat, hätten wir eine Lehrstunde über die Möglichkeiten digitaler Öffentlichkeit(en) verpasst: Lehrbeauftragter für das Thema ist Christian Ihle, der seinen sehr empfehlenswerten Blog „Monarchie und Alltag“ bei der taz nutzte, um die anderen Reaktionen, die eben kein Applaus waren zu dokumentieren. Er betitelt seine Dokumentation von digitalen Wortmeldungen zu der Doku mit der Überschrift „Hamburger Schule Gate: Eine Oral History in 7 Kapiteln“.
Der Text ist nicht zufällig in gelben Reclam-Optik illustriert, er ist auch tatsächlich prüfungsrelevant für alle, die ihren Abschluss in digitaler Öffentlichkeit machen wollen. Vor allem, weil der Podcast fest&flauschig daraus ein Hörspiel gemacht hat, das bis 15. Juni noch auf Spotify zu hören ist.
Hier die fünf wichtigsten Erkenntnisse:
- Wer den Fehler macht, sich per Google zu dem Thema informieren zu wollen, landet sehr weit oben bei Focus, wo ein Text der Teleschau (die übrigens offenbar swyrl heißt) zweit-veröffentlicht wird, der nacherzählt, was auf Facebook passiert ist. Die Originalbeiträge auf Facebook findet man nicht mit Hilfe von Google.
- Stattdessen findet man den Link zur Original-Doku – die allerdings völlig unbelastet von der Debatte im Netz rumsteht. Von der großen Aufregung rund um den Film ahnt man in der ARD-Mediathek nix.
- Gebündelt ist diese Debatte in einem Blog. Das allein freut mich als Fan von Blogs!
- Facebook-Kommentare, die vorgelesen werden, wirken immer weniger schlau als die Kommentierenden es denken!
- Die schönste Zusammenfassung zur Frage, warum man sich den Text durchlesen oder das Hörspiel anhören sollte, liefert ein Kommentator auf reddit: „Ich finde es sehr geil, weil es das Internet von vor 10 Jahren wieder zum Leben erweckt. Man hat solche Diskussionen unendlich ernst genommen, sich in Nebenschauplätze verrannt und und die größtmöglichen Keulen geschwungen. Heutzutage wird viel mehr auf RTL II Niveau gekeift. Damals brauchte man noch ein paar Semester Politikwissenschaften und Soziologie, um mitreden zu dürfen. Ich hatte ganz vergessen, wie nervig das damals war. Aber es hatte andere Schwächen als heute, und deshalb finde ich es eine schöne Abwechslung.„