In den vergangenen Wochen wurde – auf Vorschlag der Musikzeitschrift Spex – viel über die Musikkritik debattiert (z.B. hier, dort und auch hier). Jetzt gibt es in der Tageszeitung Neues Deutschland heute eine Variation der Popkritik – aus Anlass der Veröffentlichtung des neuen Tocotronic Albums „Schall und Wahn“ – zu bewundern, die aus unterschiedlichen Gründen bemerkenswert ist. Zum einen weil die hier dargebotene Form der Kritik in einer unklaren dialogischen Zickigkeit verbleibt:
Michael Saager: Vielleicht wird da eine Konsensband konstruiert, auf Teufel komm raus.
(…)
Ulrich Kriest: Konsensband, gut und schön. Aber warum und warum so unisono?
Zum anderen weil diese unbegründete launengetriebene Kritik, manchmal bemitleidenswert unreflektiert daherkommt:
Und wo steckt jetzt die Politik? Die Verwertbarkeit der lyrischen Einzelteile und Zusammenhänge fürs kritisch aufgeklärte Hier und Jetzt? Oder für ein besseres Morgen? Im Stück »Im Zweifel für den Zweifel« vielleicht? Herrjechen, jeder weiß doch, dass es besser ist zu zweifeln, als dauernd »Ja und Amen« zu sagen. Diese Band gefällt sich noch in der allgemeinplatzhaftesten Parole.
Am lustigsten ist jedoch, dass vor lauter popkulturellem Gequatsche beim Neuen Deutschland offenbar niemandem aufgefallen ist, dass die „allgemeinplatzhafte Parole“ dass jemand irgendwo „lebt und arbeitet“ schon dann peinlich ist, wenn auf sie die lokale Präposition „in“ folgt. Wenn man sie aber um die Ortsbeschreibung „bei“ ergänzt, kann das zu ganz schön merkwürdigen Missverständnissen führen. Denn was soll der Satz
Ulrich Kriest lebt und arbeitet bei Stuttgart
bitte bedeuten?