Die Renaissance des Leserbriefs

Früher wurde man Leserbrief-Redaktor, um die letzte Runde vor der AHV am warmen Öfchen abzusitzen. Heute hingegen braucht es in Leserbriefredaktionen alerte, autonome Leute, die vertiefte Sachkenntnis und ein Gespür für Debatten haben, die über genügend Standing gegenüber dominanten Chefredaktoren und selbstherrlichen Ressortleitern verfügen, weil diese ständig hineinpfuschen, unliebsame Leserreaktionen eliminieren und sich am liebsten selber illuminieren wollen. Ich weiss das deswegen, weil ich selber auch schon Leserbriefe in meinem Sinn gefälscht habe. Ist allerdings lange her und durchaus branchenüblich. Ich schäme mich noch heute. Es gibt auch Journalisten, die Verwandte, Bekannte, Kollegen animieren, unterstützende Leserbriefe zu schreiben. Zum Erspüren von Fakes aller Art benötigt der zuständige Redaktor daher ein feines Näschen.

Auf Medienspiegel.ch widmet sich Fred David der Frage der Leserbeteiligung an Zeitung am Beispiel der NZZ. David, der „seit 40 Jahren Journalist“ ist (Spiegel, Weltwoche, Cash) erzählt darin, von der Arbeit eines Leserbrief-Redakteurs und kommt zu dem Schluss:

Der Leserbrief erlebt eine unerwartete Renaissance und das ausgerechnet in den bereits für scheintot erklärten Holzmedien. Wie man dieses Genre geschickt pflegt und weiterentwickelt, erkannte ausgerechnet die «alte Tante NZZ» am besten von allen.

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