Das Anstrengende an der Digitalisierung ist für den klassischen Journalisten (und alle Storyteller) in Wahrheit ja nicht, dass sie etwas mehr Arbeit haben könnten, sondern die Tatsache, dass ihr Selbstbild in Frage gestellt wird. Der Prozess der Demokratisierung fordert alle Berufsgruppen in ihrer Selbstdarstellung und Positionierung heraus. Bei Köchen und Musikern kann man bereits beobachten, dass das Aufkommen von Amateuren den Profis keineswegs den Job kostet (im Gegenteil). Im Journalismus ist der Prozess in vollem Gange und man kann quasi live mit anschauen, welche unterschiedlichen Wege man gehen kann, um darauf zu reagieren:
Zwei Beispiele sind mir gerade in die Twitter-Timeline geflogen. Ich will sie nicht kommentieren, sondern nur gegeneinander stellen. Zum einen gibt es diesen handwerklich (mal wieder) sehr guten Beitrag von 2470media über das Reporter-Forum in Hamburg
:
Ich weiß nicht, ob die Journalistinnen und Journalisten, die in diesem Beitrag auftauchen, so selbstverständlich die folgenden Sätze unterschreiben würden, die ich ebenfalls gerade in meiner Timeline gefunden habe. Sie kommen aus der Deutschen Journalistenschule, wo die aktuelle Klasse gerade an einem Projekt namens hive arbeitet. Das klingt inhaltlich spannend, es geht aber vor allem auch einen erstaunlichen Weg – hive bindet seine Leserinnen und Leser ein.
Falls Ihr also gelesen habt, was wir vorhaben, und denkt: „Ich kenn da was, darüber muss hive etwas schreiben!“, schreibt uns eine Mail, postet an unsere Pinnwand auf Facebook oder schreibt @HiveMagazin. Denn egal wie gut unsere Ideen sind: Irgendwo da draußen gibt es immer eine bessere.
Mir geht es um die beiden letzten Sätze. Man kann über diese Haltung streiten, ich kann mir beide Argumentationslinien vorstellen: „Wer eh schon weiß, dass er nicht die beste Idee hat, braucht doch gar nicht anzufangen“, sagen die einen. Die anderen entgegnen: „Wer so denkt, erhebt sich nicht über seine Leser, er arbeitet aus einem realistischen Weltbild heraus.“
Ich finde es sehr erstaunlich, dass solche Sätze aus der Journalistenschule kommen. Denn wo, wenn nicht dort, kann so etwas ausprobiert werden?
Natürlich kann man heute nur schwer absehen, wie dieser Prozess ausgehen wird. Man kann aber Hinweise für eine bestimmte Richtung zusammentragen. Johannes Kuhn weist zum Beispiel auf den transparenten Newsroom der schwedischen Zeitung norran.se hin, an dem diese Grundsätze gelten:
Transparency is the new objectivity. We post the job list – the stories we are working on today.
The instant feedback and the personal reply is extremely important. It’s the feeling that there’s somebody there live now.
You have to answer in a good way, a polite way and a knowledgeable way, or you can lose trust.
2 Kommentare
Als Mitglied der Redaktion von hive war ich anfangs tatsächlich skeptisch, bin inzwischen aber komplett überzeugt von der Idee. hive ist sicherlich ein Experiment. Über die Haltung, das „irgendwo da draußen immer eine bessere Idee“ ist, streitet bei uns keiner. Kein Journalist sollte einen Alleingeltungsanspruch vertreten, Überheblichkeit gegenüber dem Leser/Zuschauer/-hörer kann sich kein Journalist leisten. Daher überrascht uns auch die Aussage, dass es erstaunlich sei, dass solche Worte aus der Journalistenschule kommen. Wo, wenn nicht dort?
Man sollte Klischees nicht wiederholen und sei es nur, um sich von ihnen zu distanzieren. Aber als Absolvent der DJS weiß ich um die der Institution dann und wann angehefteten – und ich weiß auch, dass sie nicht immer und überall falsch waren.