Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletters.
Der Begriff „Netzkultur“ ist dabei bewusst offen und der zeitliche Bezug kann schlicht daran liegen, dass mir dieses Phänomen erst in dem Monat aufgefallen ist. Die Charts aus den Vormonaten stehen hier.
Mehr Netzkultur gibt es auch in dem Instagram-Account @kommemetare
Platz 1: „Baklavas Aus Gaza“ Shahak Shapira
Vielleicht ist es kein richtiges Netzphänomen, aber ohne das Netz wäre der Auftritt von Shahak Shapira sicher nicht so stark rezipiert worden. Der Spiegel, der Tagesanzeiger, die Welt und viele andere berichten über das, was im Kara Kas in Berlin-Schöneberg stattfand: „Der Angriff der Hamas war erst zwei Tage her, da betrat der deutsch-israelische Comedian Shahak Shapira eine Bühne und machte Witze über das, was geschehen war“ beschrieb Die Zeit Shahaks Comedy in einem Club, der einem Palestinenser gehört: „Baklavas aus Gaza“ heißt der Auftritt, den es auf deutsch und auf englisch auf YouTube gibt – und der am besten für sich selbst spricht.
Platz 2: Der Gen-Z Tatort
Wie sähe ein Tatort aus, wenn Nina Chuba ermittelt und Ski Aggu als Chef im Polizeipräsidium arbeitet? Klaas Heufer-Umlauf hat diese Konstellation für seine Sendung Late Night Berlin durchgespielt – und selbst die Rolle eines alternden Ermittlers (Millennial !) übernommen. Die 12:22 Minuten lange Folge ist nebenbei ein Suchspiel für alle, die sich für Tiktok-Referenzen interessieren. Hier angucken – und schauen, was wird. Was wird.
Wer sich für Generationen-Fragen interessiert, wird vermutlich auch diese Meldung mögen: Angeblich ist LinkedIn aktuell äußerst angesagt bei US-Teenagern
Platz 3: Yearbook-Fotos mit AI
„Die Neunziger sind zurück“ titelte Der Spiegel über den Fototrend, der Anfang des Monats vermeintlich alte Bilder in die Timelines spülte. Plötzlich zeigten Nutzer:innen Bilder aus ihrem Schul-Yearbook, die allesamt eins gemeinsam hatten: Sie waren von der Künstlichen Intelligenz der App Epik generiert. Nutzer:innen müssen einige Beispielbilder von sich selbst hochladen – und werden dann (gegen Gebühr) mit erfundenen Erinnerungen erfreut.
Es dauerte nicht lange bis der Hype einen Warn-Hype auslöste: Was passiert mit den Daten? fragte z.B. der Stern – und beantwortete die Frage gleich: „Bei dem ganzen Vorgang werden sensible Daten abgegriffen: Die hochgeladenen Fotos, sowie private Daten wie E-Mail-Adresse, Name, Adresse, Telefonnummer, Browser-Suchverlauf, Website-, Anwendungs-, und Werbeinteraktionen, Audio-Informationen und natürlich auch visuelle Informationen werden laut Entwicklerstudio für drei Jahre gespeichert.„
Platz 4: Goofy – und das Jugendwort
Ganz und gar un-goofy ist der Film, den Die Zeit im Hochformat zum Thema „Jugendwort“ gemacht hat: unterschiedliche junge prominente Menschen beantworten die Frage „Was ist euer Jugendwort des Jahres?“
Das ist nicht nur in Bezug auf das Ratespiel des Gen-Z-Tatorts interessant (hier treten ebenfalls junge von Tiktok prominente Personen auf, u.a. Tahsim Bro, den ich schon länger mal erwähnen wollte.), es nimmt dem Thema Jugendwort diesen goofy-Werbevibe (sic!) des Langenscheid-Verlags. Der scheint ja mittlerweile sogar Susanne Daubner und der Tagesschau auf die Nerven zu gehen. Oder wie sonst lässt sich ihr Abgang bei der Verkündung des Jahrgangsbesten 2023 interpretieren? Goofy!
Platz 5: Kevin James
Alte Männer zu Memes! Jedenfalls auf Kevin James (King of Queens) und Eric Stonestreet (Modern Family) trifft diese Beschreibung im Oktober zu: alte Fotos der beiden Schauspieler wurden rekontextualisiert – und zu Memes. Ich habe drüben auf Kommemetare beschrieben wie dieses Wieder-Entdecken von King of Queens und Modern Family funktionierte.
🎵 Ungebetene Ohrwürmer* des Monats 🎵
- Jain: „Makeba„
- Amaru x Gringo Bamba: „Blonde Chaya„
- Kenya: „Strangers„
- Malum: „Según-Quién“
- David Kuschner „Daylight“
* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.
Besondere Erwähnung
***Any typos in this email are on purpose actually*** schreibt Ryan Broderik am Ende dieses spannenden Textes über Internet-Generationen. Gilt auch für meine Texte hier ;-)
Er ist eine 10 von 10, aber… der Moment, der auf diesen Bewertungstrend-Satz folgt, wird im Netz als „Ick“ bezeichnet. Gemeint sind meist kleine Beobachtungen, die dazu führen, dass eine Crush-Sympathie zu einem Crash werden kann.
Wie Bumble mit einem angeblichen Verbot Aufmerksamkeit generierte, kann man in diesem Interview anhören. Zur Markeinführung der Dating-App wurden an US-Unis Verbotschilder aufgestellt, die die Nutzung von Facebook, Twitter, Instagram und Bumble untersagten. Durch die Auflistung in dieser Verbots-Reihe wurde die App plötzlich interessiert. Ein schönes Beispiel für die These: auf deine Aufmerksamkeit zu achten, ist wichtig!
Dass neal.fun super ist, wisst Ihr eh alle – kleiner Reminder!
Fest und Flauschig behandelte im Oktober die Frage, unter welchen rechtlichen Bedingungen „Reaction Videos“ möglich sind. Christian Solmecke hat darauf ein Reaction Video gemacht.
Nele Hirsch (über die ich unlängst schrieb) hat eine tolle Idee für einen Adventskalender: adventsmagie.de
Mehr zum Thema Netzkultur gibt es in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ und im monatlichen Newsletter ,Digitale Notizen‘. Im Account @komMEMEtare poste ich zudem auf Instagram aktuelle Memes und Hintergründe