Das Internet hat einen neuen Ohrwurm: „Anxiety“ von Doechii

Jaylah Ji’mya Hickmon hat dem Internet seinen jüngsten Ohrwurm geschenkt: „Anxiety“ der Rapperin Doechii läuft unter zahlreichen Tiktok-Clips und macht die Künstlerin, die gerade einen Grammy fürs beste Rap-Album gewonnen hat, noch bekannter.

Für mich als Freund der Referenz- und Kopier-Kultur ist der Song aber mehr als ein viraler Hit. An Anxiety lässt sich nämlich wunderbar illustrieren, wie das digitale Kopieren eine neue kulturelle Ebene der Referenzen, Sample und Bezüge freigespielt hat.

Der Song ist eine sehr gegenwärtige Form eines Covers. Denn der Anxiety zugrunde liegende Song stammt von Gotye und heißt „Somebody that I Used to Know„. Dieses Lied aus dem Jahr 2011 hat wiederum ganz eigene Internet-Berühmtheit erlangt – zu dem ohnehin immensen Erfolg des Songs (siehe eigener Wikipedia-Eintrag) veröffentliichte die kanadische Band „Walk of the Earth“ 2012 eine Cover-Version, die sie zu fünft auf einer Gitarre spielten. Das alleine begeisterte das Internet damals so sehr, dass es ständig und überall kopiert wurde – wie man an dieser sehr schöne Version von Joko&Klaas sehen kann.

2020 nutzte Doechii den Song und rappte einen eigenen Part über das Lied. Das Video erreichte viele Leute, das Lied war aber nur auf YouTube verfügbar. Und noch bevor es zu einem offiellen Release des Doechii-Songs kam, wurde dieser gesamplet. Der Rapper Sleepy Hallow brachte 2023 eine Version raus, in der er selbst über Gotye und Doechii rappt.

Vor ein paar Tage nun hat Doechii aus ihrer Schlafzimmer-Aufnahme aus dem Jahr 2020 einen eigenen Song veröffentlicht – und damit der Geschichte von Referenz und Kopie eine neue Episode hinzugefügt. Denn auf Tiktok sind Mashups dieser Art besonders beliebt und so verwundert es auch nicht, dass ihr Song dort nicht nur oft genutzt wird, sondern auch zu einer beliebten Tanzvorlage wurde.

Mein persönliches Highlight dabei: der offizielle Account von Will Smith spielt den Sound zu einer Szene aus der Serie „Prinz of Bel Air“ aus den 1990er Jahren ab – und zwar so genau, dass es so wirkt als sei damals tatsächlich zu dem Song von Doechii getanzt worden. Es handelt sich also um eine Art Reverse-Tanz-Video, den der Tanz war in dem Fall vor dem Song da.

Die schönste Pointe an dem ganze viralen Erfolg und seiner Kopiergeschichte ist aber, dass die Gitarrensequenz, die schon Gotye bekannt machte, in Wahrheit auch ein Sample ist: aus dem Song „Seville“ des brasilianischen Musikers Luiz Bonfa aus dem Jahr 1968


Mehr über meine Begeisterung fürs Kopieren und Referenzieren sowie für Netzkultur gibt es in den Büchern „Mashup – Lob der Kopie“ und „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ und monatlich in der Rubrik „Netzkulturcharts“ hier im Blog