Der Admin, Find the pro, das Populismus-Experiment, Mansplaining und Soffies Frühlings-Land (Netzkulturcharts Februar 2024)

Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletters.

Der Begriff „Netzkultur“ ist dabei bewusst offen und der zeitliche Bezug kann schlicht daran liegen, dass mir dieses Phänomen erst in dem Monat aufgefallen ist. Die Charts aus den Vormonaten stehen hier.

Mehr Netzkultur gibt es auch in dem Instagram-Account @kommemetare


Platz 1: Der Admin

Der Social-Media-Admin von Markenaccounts verdient eine prominente Erwähnung. Für die Bebilderung möchte ich den herausragenden Tiktok-Account des VfL Bochum wählen, der zum Klassenerhalt der letzten Saison (übrigens die letzte Niederlage von Leverkusen) diesen Clip mit dem Satz „Admin noch im Party-Modus“ postete. Das ist eine gute Illustration für die Entwicklung, die auf zahlreichen Accounts zu beobachten ist: Die Social-Media-Admins thematisieren sich selbst – nicht selten voller Selbstironie (der „Wir sind Online-Redakteure“ der vergangenen Charts ist übrigens genau so zu lesen). Aktuellstes Beispiel dieser Entwicklung: die angebliche Entmachtung des Admins auf dem Threads-Account von Carrera.

Platz 2: Find the Pro

Im vergangenen Dezember begleitete das Funk-Magazin „Einfach Fussball“ Diyar Acar, den Erfinder des sehr sympathischen und populären Fußball-Formats „Find the pro“. Wer das Ratespiel nicht kennt (eine mit bekannten Fußballern besetzte Jury muss aus einer Gruppe junger Kicker den einen tatsächlichen Profi herausfinden), sollte das Porträt anschauen – und dann die Folge mit FC Levante. Die hat nämlich erstaunliches memetische Potenzial entfaltet, weil Abdul darin kontinuierlich den spanischen Verein falsch ausspricht.

Abgesehen von dem Running-Gag verdient das Format eine Platzierung in den Netzkulturcharts weil es zeigt, wie Fußball-Profis (in der Jury) sich in den neuen Formen der Öffentlichkeit(en) bewegen. DIe Platzierung ist also nicht nur für Diyar und sein Format, sondern auch für die Profis in der Jury.

Platz 3: Das Populismus-Experiment

Geht Fernsehmoderatorin Mai Thi Nguyen-Kim in die Politik? Mit diesem Verdacht hat sie eine Folge ihrer ZDF-Sendung beworben, in der es um populistische Aufmerksamkeits-Methoden geht. Form und Inhalt gehen hier eng zusammen, denn Mai geht nicht in die Politik. Sie hat die Meldung nur als Beispiel für die Mechanismen des Populismus genutzt.

Egal, ob man diese Form der Aufmerksamkeits-Steuerung mag oder nicht: die Sendung selbst ist sehenswert – und erklärt wie populistische Strategien funktionieren. In ihrem Fazit (inklusive Entschuldigung bei den Zuschauenden) kommt Mai übrigens zu dem Schluss: Vielleicht ist das viel beschimpfte Internet gar nicht so dumm.

Platz 4: Das Land, in dem für immer Frühling ist

Die Proteste gehen weiter, der Song bleibt populär. Die vergangenen Monat erzählte Geschichte von der kurzen Song-Sequenz von Soffie, die zum bekanntesten Song des Frühjahrs wurde, bleibt spannend – und in den Charts. Ein guter vierter Platz.

Platz 5: Der unbekannte, ungebetene Golf-Lehrer

Er ist webbekannt, ohne dass sein Gesicht zu sehen ist. Der Mann, der ungebeten die Profi-Golferin Georgia Ball beim Training belehrte, hat eine sehr anschauliche Illustration für das geliefert, was Rebecca Solnit in ihrem Buch „Wenn Männer mir die Welt erklären“ Mansplaining nannte. Ein Mann belehrt ungefragt eine Frau darüber wie sie ihr Golf-Spiel zu ändern habe – dass diese Profi-Golferin ist, stört ihn nicht. Denn er spielt bereits seit 20 Jahren Golf. Georgia Ball geht damit im Interview mit der BBC sehr gelassen um. Der Tiktok-Clip ist dennoch nur zum Fremdschämen.


🎵 Ungebetene Ohrwürmer* des Monats 🎵

  1. Djo „End of Beginning“
  2. Soffie „Ein Land, in dem für immer Frühling ist“
  3. Danger Dan „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“
  4. Michael Marcagi „Scared to Start“
  5. Connor Price „Trendsetter

* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.