Friesenjung, John Oliver & Reddit, Laura Ramoso, Was wird, Wes Anderson, Makeba (Netzkulturcharts Juni 2023)


Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletters.

Der Begriff „Netzkultur“ ist dabei bewusst offen und der zeitliche Bezug kann schlicht daran liegen, dass mir dieses Phänomen erst in dem Monat aufgefallen ist. Die Charts aus den Vormonaten stehen hier.


Platz 1: Danke Otto Danke (und Friesenjung)

Platz 1 in den Netzkulturcharts und Platz 1 in den deutschen Single-Charts. Die Zusammenarbeit von Ottifanten-Witzbold Otto und Skibrillen-Tiktoker Ski Aggu hat eine beschleunigte Version des Sting-Covers auf Platz eins der deutschen Musikcharts gebracht. Was das Ski Aggu-Publikum mit einem lauten „Danke, Otto, Danke“ quittierte. Bei dieser Kollaboration ist so viel richtig gemacht worden, dass es sich lohnt, das Interview nachzuhören, das ich Deutschlandfunkkultur dazu geben durfte.

„Meme-Techno par excellence“ nennt die Musikjournalistin Christina Plett (die übrigens auch selbst auf Tiktok ist) das und ordnet den Trend musikalisch ein: „Auf TikTok ist #techno zu einem Trend geworden, in dem nicht Techno, sondern andere, schnelle Spielarten elektronischer Musik führend sind: Trance, Donk, Hardstyle.

Platz 2: Reddit (und John Oliver)

Jeder Protest braucht ein Gesicht: jener über die Ausrichtung „der Startseite des Internets“ reddit hat jetzt John Oliver als Gesicht gewählt. Dass nur noch Bilder des britisch-amerikanisch Comedians („Last Week Tonight“) in einigen Subreddits zu sehen sind, ist die nächste Stufe im Streit um die Frage, zu welchem Preis reddit an die Börse gehen kann – und vor allem welches Mitspracherecht die Nutzer:innen dabei haben sollen. Geht es nach CEO Steve Huffmann lautet die Antwort: möglichst wenig. Seine Entscheidung, die Nutzung der Schnittstellen bei reddit zu monetarisierung stieß auf großen Widerstand, der sich zum Beispiel in langfristigen Streiks niederschlug (Hintergründe sehr gut im Social-Media-Watchblog). Protest-Symbol John Oliver, dessen Show gerade in der Sommerpause ist, unterstützt die Reddit-Nutzer:innen übrigens – er lieferte in einem langen Twitter-Thread neue Bilder

Platz 3: Laura Ramoso (und ihre Eltern)

Was für ein tolles Interview mit Tiktok-Star Laura Ramoso in diesem kanadischen CBC-Podcast! Laura Ramoso lebt in Toronto, hat aber eine deutsche Mutter und einen italienischen Vater – deren Besonderheiten sie in sehr lustigen Clips auf Tiktok und Instagram humoristisch zur Schau stellt. Im Gespräch mit Tom Power erzählt sie jetzt, weshalb dieser Clips eigentlich eine Notlösung waren, warum sie pro Video 24 Stunden Arbeit investieren muss und was ihr viraler Erfolg mit den Auftritten in Edinburgh beim Fringe Festival zu tun hat.

Platz 4: Was wird (und die FC Köln Version)

Fussball-Vereine auf Tiktok hätten mal einen eigenen Beitrag verdient. Für diesen Monat haben sich jedoch erstmal die beiden scheidenden Spieler des FC Köln, Horn und Hector, eine Platzierung in den Netzkulturcharst verdient – für die schöne Parodie des Was wird-Memes, das ich hier bereits im Mai vorgestellt hatte. Kapitän Jonas Hector und Keeper Timo Horn spielen auf dem vereinseigenen Tiktok-Kanal das Meme herausragend nach.

Platz 5: Wes Anderson (und sein viraler Ruhm)

Es gibt einen neuen Wes Anderson Film – also einen, den wirklich er gemacht hat und nicht das Internet in seinem Stil. Der neue Film heißt Asteroid City und ich persönlich finde ihn schön, aber ebenso langweilig – mein Kollege Max Scharnigg hat das Story-Problem von Wes-Anderson-Filmen hier sehr gut beschrieben. Im Rahmen der Film-Promo wurde Anderson jedenfalls auch zu den Imitationen befragt und sagte das hier:

I haven’t seen any of it. Obviously, it’s easy for me to go to the right web page and see it. I choose not to really engage. I guess it’s because I don’t want to get distracted by that. It’s a bit like if you’re told, “Your friend does a great version of you.” Maybe you say, I’d really like to see it, and maybe you say, I don’t want to see a version of me, even if it’s good. It can be like, “Is that me?” That’s not necessarily the thing you want. At some point, I’m sure I’ll go in there and see. But I’ve never seen a TikTok, for instance, of anything. I’m not going to start with me. [laughs]


🎵 Ungebetene Ohrwürmer* des Monats 🎵

  1. Otto, Ski Aggu, Joost „Friesenjunge
  2. Jain: „Makeba
  3. Coi Leary: „Players“
  4. David Kuschner „Daylight“
  5. Alexander Desplat „Obituary“ (French-Dispatch-Soundtrack)

* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.


Besonderer Erwähnung

Keine Ahnung, wie dieser Trend des ins Bild rennenden Jungen heißt, der dann mit einem Mädchen im Vordergrund tanzt. In jedem Fall wird er untermalt mit dem zweiten starken Ohrwurm des Monats: Makeba ist ein Song aus dem Jahr 2015 der französischen Musikerin Jain. Acht Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung untermalt er zahlreiche Tanzchallenges auf Tiktok, aber auch unzählige andere Videos. Über zwei Milliarden Aufrufe errechnet diese französische Website.

Dass die tagesschau recht erfolgreich auf tiktok ist, ist nichts Neues. Dass aber auch der ARD-Weltspiegel auf der Plattform Erfolge feiert, kann man in diesem Monat mit diesem breiten Schwan illustrieren. 4,5 Millionen Aufrufe hat der Clip bekommen, der die Geschichte von Schwänen in der Slowakei auf einem Mohnfeld erzählt. Das mag man albern finden, es ist aber – wie der ganze Account – eine zeitgemäße Form der Auslandsberichterstattung.

Im Podcast der Medientage Mitteldeutschland erklärt Karsten Samland von Tiktok-Deutschland was Content-Creator auf der Plattform beachten sollten.

Videos so zu schneiden, dass jeweils nur ein Wort (oder Satz) zu hören und sofort ein neues Bild zu sehen ist (wie in diesem Beispiel), ist in jedem Fall sehr aufmerksamkeitsstark.

Hate Speech ist mehr als Beschimpfen und Beleidigen – daran erinnert Andrea Lorenz in diesem kurzen Clip, der zeigt, dass auch Emojis in bestimmten Kontexten als Hate Speech gelesen werden können.