Gen-Z-Kollegen, Transitionhooks, Baby-Hippo Moo Deng, Olaf Scholz & Brooklyn Oyoms sowie Meme-Königin Ricarda Lang (Netzkulturcharts September 2024)

Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletters.

🆕 Auf Tiktok reposte ich übrigens Clips, die mir besonders auf- oder gefallen. 🆕


Platz 1: Der Gen-Z-Kollege, der Videos schneidet

Die Grünen und die Jugend würden einen eigenen Platz im Monatsranking September verdienen – in diesem Fall zeigen sie aber vor allem, wie man einen Netztrend richtig gut einsetzt. Es geht um die seit mehreren Wochen genutzte Idee ein Video mit vielen Ähs und Öhs und Zwischenschnitten online zu stellen und drüber zu schreiben: „Ich habe meinen Gen-Z-Kollegen gebeten, ein Video zu schneiden“. Hier ein schönes Beispiel der Today-Show. Die Grünen haben den Trend genutzt, um die Pressekonferenz von Friedrich Merz und Markus Söder zu kommentieren.

Ergebnis: viele Ähs und Öhs und kein Inhalt.

Platz 2: Zwergflusspferd Moo Deng

Am 10. Juli wurde Moo im Khao Kheow Open Zoo in Thailand geboren. Seitdem begeistert die Zwergflusspferde-Dame die Welt – und das Internet. Moo Deng ist zur Meme-Vorlage geworden. Die SZ kommentiert: „Im Internet kursieren Bilder von Menschen, die sich Moo Deng auf die Wade haben tätowieren lassen, es gibt einen Moo-Deng-Song (bislang nur auf Thai) und die Kosmetikkette Sephora hat ein Make-up-Tutorial entwickelt, nach dem man sich die Wangen genauso rosig schminken kann wie Moo Dengs.“

Platz 3: Stefan Raab und hide the pain Harold

An der Rückkehr von Stefan Raab auf die Bildschirm-Aufmerksamkeit interessiert mich vor allem die Frage: War ihm nicht klar, dass er aussieht wie ein Meme? Oder war es Absicht?

Als der Entertainer Mitte des Monats mit neuem grauen Bart wieder auftrat, erkannten netzgeschulte Augen sofort eine Ähnlichkeit zu András Arató, der im Netz nur als „Hide the pain Harold“ bekannt ist. Unter diesem Namen wurde das ungarische Stockfoto-Model zum Meme. War Raab und seinen Leuten das nicht klar? Oder sind ihnen. Memes egal?

Platz 4: Ricarda Lang und Memes

Politisch lief der Monat für die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang nicht besonders gut. Sie hat ihren Rücktritt angekündigt. In Bezug auf Memes und Netzkultur verdient sie aber eine vordere Chartsplatzierung: „Naturtalent“ kommentierte @sveamaus in Deutschlandfunkkultur Langs Reaktion auf ein Bild, das sie biertrinkend nach den schlechten Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen zeigt: „Wenn ich ,Grillen muss erlaubt bleiben‘-Plakate sehe“, schrieb Lang im Meme-Font „Impact“ unter das Bild und teilte es selbst.

Auch diesen Titanic-Witz nach ihrem Rücktritt teilte Lang – mit den Worten „An allem sind die Grünen Schuld“

Platz 5: Olaf Scholz & Brooklyn Oyoms

Dass Menschen laut „Olaf Scholz“ brüllen, wenn ihnen etwas zu teuer erscheint, hat der Bundeskanzler dem Tiktoker Brooklyn Oyoms zu verdanken. Der Clip, den er gemeinsam mit Momo (Netzkulturcharts berichtete) in einem Supermarkt gedreht hat, hat nicht nur viele Nachahmer gefunden – er wurde auch schon über 7.5 Millionen Mal angeschaut. Die Grundidee dabei: die beiden zeigen Lebensmittel, die zu teuer sind.

Die jeweils hohen Preise werden – so der running gag – mit dem Namen des Bundeskanzlers kombiniert: das laut gerufene „Olaf Scholz“ ist zu einer Art Inside-Code für Tiktoker:innen geworden – um hohe Lebensmittelpreise zu kommentieren.


🎵 Ungebetene Ohrwürmer* des Monats 🎵

1️⃣ Spider Murphy Gang: „Skandal Im Sperrbezirk“ Sped-Up

2️⃣ Stephen Sanchez: „Until I Found You (Em Beihold Version)“ wg. des Disney-Filters auf Tiktok

3️⃣ Taylor Swift: „Look what you made me do“

4️⃣ DJ Johnrey „Emergency“

5️⃣ Freak Nasty: „Da Dip“

* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.


Besondere Erwähnung

„Unsere Aufgabe im Wahlkampf ist es, die Windmühle zu bauen. Es ist die Aufgabe der Vizepräsidentin, den Wind zu machen. Und der Enthusiasmus um sie herum ist ein Beweis dafür, was sie in diese Kandidatur einbringt. Aber das Team hier – die Tatsache, dass sie in der Lage waren, einen Großteil dieser Energie umzukehren und einzufangen, zeugt von einem wirklich guten System mit einer Kandidatin, von der die Menschen wirklich begeistert sind.“ Mit diesen Worten fasst Rob Flaherty die Arbeit in der Bratsummer-Kampagne von Kamala Harris zusammen (Netzkulturcharts berichtete). In diesem sehr guten Inside-Bericht erklärt CNN wie das Harris-Wahlkampfteam mit dem Netz umgeht: auf junge Menschen hören!

Was junge Menschen aus Donald Trumps Behauptung gemacht haben, Flüchtlinge in Springfield würden Haustiere essen, hat der Spiegel aufgeschrieben.

Das ZDF hat in einer Dokumentation die Arbeit von iGenius nachgezeichnet. Die Firma wurde vor ein paar Monaten durch die Clips von Levi Penell in der deutschen Netzkultur bekannt – Levi tritt in der Doku auch auf.

Andre reist wieder mit seinen Eltern. Jetzt geht es nach Japan. Alle, die das Buch „Schön war’s, aber nicht nochmal“ mochten, werden Gefallen an den neuen Tweets Threads-Post aus Japan finden.

Die Hochformat-Welt von Tiktok- und Reel-Videos hat uns eine eigene Sprache geschenkt („Macht das Plus weg“), sie beeinflussen aber natürlich auch unsere Bildsprache. So genannten Hooks (siehe dazu ausführlich diese Ausgabe der Charts) sollen unsere Aufmerksamkeit binden. Deshalb habe ich mich im Juli schon mal mit den Überraschungs-Übergängen befasst – weil der Account diese in Deutschland beeindruckend gut einsetzt.

Sie müssen aber nochmal in den Netzkulturcharts erwähnt werden, weil sie mittlerweile koordiniert eingesetzt werden – wie die Seite transitionalhooks.com zeigt, auf der Vorlagen wie diese stürzende Frau in einer großen Datenbank angezeigt und zur Nutzung angeboten werden

Die Firma Tillmann aus dem Hochsauerlandkreis hat in diesem Monat durch eine Erwähnung von Felix Lobrecht deutschlandweite Berühmtheit erlangt. Der Komiker entdeckte auf einer Autobahnfahrt einen Laster der Firma vor sich, filmte diesen und machte sich über den Namen „Tillmann Wellpappe“ lustig – und bekam dafür so viel Aufmerksamkeit, dass sogar die Lokalpresse berichtete.

Die BBC über Ananas in spanischen Supermärkten


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