Dieser Text ist Teil der Dezember-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, den man hier kostenlos abonnieren kann. (Foto: Unsplash)
In der Debatte um digitale Öffentlichkeiten gibt es ein großes Missverständnis. Es basiert auf dem Reichweiten-Köder, den die Social-Media-Plattformen seit Jahren auslegen. Sie versprechen zahlreiche Klicks, Views und Follower und erwecken den Eindruck mehr sei besser.
Dabei basierte der Zauber der digitalen Vernetzung schon immer darauf, dass wir uns nicht mit mehr Menschen (oder Accounts) vernetzten können, sondern mit den richtigen. Nicht mehr der einzige im Dorf zu sein, der The Cure hört (nur ein Beispiel weil das aktuelle Album echt super ist), sondern im digitalen Dorf eine Gruppe von The Cure-Fans zu finden, mit denen du dich über Robert Smith austauschen kannst, ist eine wunderbare Option, die erst durchs Internet möglich wurde.
Durch eine Fehl-Interpretation von Eli Parisers Idee der Filterblase schwingt in der Debatte um digitale Öffentlichkeiten aber ein Gedanke mit, der sich anklagend an The Cure-Fans wendet und von ihnen fordert, doch endlich mal mit Schlager-Fans zu sprechen. Falls sie das nicht tun, bekommen sie zu hören, sie würden sich ja nur in ihrer Filterblase bewegen…
Dabei ging es Eli Paris ursprünglich um etwas sehr anderes.
Der Begriff ist aber geblieben und hat sich zu einem Kampfbegriff für eine Forderung entwickelt, deren tieferer Sinn vor allem denen nutzt, die Gemeinsamkeiten und Verständigung zerstören wollen. Gemerkt habe ich das, als ich in diesem Monat den Blueksy-Vibe spürte, der nicht nur Taylor Lorenz an die gute Phase von Twitter erinnert (ja, die gab es!). Ich habe darüber im Kompressor-Wochentalk (zweiter Teil!) von Deutschlandfunk-Kultur gespochen und dort auch den Titel dieses Beitrags formuliert. Es ist Zeit für ein Lob der Filterblase!
Wir müssen uns daran erinnern, dass es ein Wert ist, sich mit Gleichgesinnten zu verbinden, Wissen zu teilen und neue Ideen zu entwickeln. Es ist nicht besser, wenn du durch dauernde destruktive Grundsatz-Anmerkungen daran gehindert wirst, den Zustand der psychologischen Sicherheit zur Kreativität zu erreichen. Sich in der eigenen Blase zu bewegen, ist nicht das Problem der Vernetzung, sondern ein Ziel! Alle guten Nischen nicht nur des Web basieren auf dieser Erkenntnis. Ich finde, es ist redlich und auch überfällig, daran zu erinnern.
Denn diese Erinnerung zeigt uns auch, dass die Rede der Reichweite, die die Plattformen schwingen, nicht zielführend ist. Würde davon etwas stimmen, müsste eine Parlamentsdebatte ja allein dadurch gut werden, dass statt 600 dort 60.000 Abgeordnete durcheinander reden. Oder du müsstest besser Antworten bekommen, wenn du wirklich wichtige Fragen statt im Freundeskreis vor der Hüpfburg des Baumarkts am Samstagvormittag erörterst. In Wahrheit gibt es aber aus guten Gründen, bestimmte Bereiche, die durch ihre Begrenzung Bedeutung entfalten.
Diese Feststellung scheint mir im übrigen auch wichtiger als die Frage, ob Bluesky nun genau dieser Ort wird oder nicht. Denn sobald das jemand feststellt, wird ohnehin die Frage aufgeworfen, ob das denn überhaupt stimmt oder ob dort nur eine Blase unterwegs ist.
Ich glaube, wenn diese Frage gestellt wird, ist vorher ziemlich viel richtig gemacht worden ;-)
Mein Bluesky-Account ist übrigens hier – ich habe auch einen Starter-Pack mit deutschsprachigen Accounts angelegt, die ich kenne
Die Digitalen Notizen sind mein monatlicher Newsletter, den ich mir im Dezember des Jahres 2014 ausgedacht habe – und der mit der nächsten Folge zehnten Geburtstag feiert. Hier abonnieren um die Jubiläumsfolge nicht zu verpassen ;-)
In der Vergangenheit ging es immer mal wieder um Social-Media und digitale Öffentlichkeiten – zum Beispiel: „Wen kümmerts was aus Twitter wurde?“ (Juni 2024), „Widerspruch ist die beste Werbung“ (April 2024), „Der beiläufige Zauber von Social-Media“ (August 2023), „Das Einfluss-Paradox der Gegenwart“ (Dezember 2022) „Die Glut-Theorie der Öffentlichkeit“ (Juni 2022), , „Die Anderen anders sein lassen“ (Mai 2022), „Danke für Ihren Verstand“ (Januar 2022), „Ich mag Twitter“ (November 2021) „Ungerecht!“ (Januar 2021) „Die Meinungsmodenschau“ (November 2020), „Die Nazis werden uns das Internet wegnehmen“ (März 2020), „Die Empörung der anderen“ (Februar 2020), „Weniger Recht haben müssen“ (November 2018), „Fünf Fitness-Übungen für Demokratie“ (Juli 2018) „Freiheit zum Andersdenken“ (Juli 2017), „Streiten lernen – für ein besseres Internet“ (Januar 2017).