Die vorgezogene Neuwahl stellt das Land vor Herausforderungen. Im politischen Berlin gibt es Aufregung. Und auch der Account bundestagsinternememes auf Instagram ist davon nicht ausgenommen. Ich hatte ihn unlängst bereits als Beispiel für Unternehmens-Memepages verlinkt. Nachg dem offiziellen Ende der Ampel-Koalition machte der Account öffentlich, dass auch seine eigene Zukunft ungewiss sei.
Deshalb habe ich mit dem oder der Person hinter dem Account ein Instagram-Chat-Interview geführt, das ich hier dokumentiere (Foto: Unsplash)
Seit wann machst du die Seite und wie bist du auf die Idee gekommen?
Man redet mit Freunden über die Arbeit und Politik allgemein und manchmal hat man eine Idee, wie ein Meme, das gerade beliebt ist, dazu passen würde. Viele von uns konsumieren Memes ja schon seit über einem Jahrzehnt als normales Mittel der Satire und Kommunikation. Man spielt in Chats damit herum, scherzt über mögliche Motive. Also habe ich beschlossen, welche hochzuladen. Im Bundestag gibt es schließlich eine von allen geteilte Realität, die man gemeinsam kommentieren kann. Ab da war es ein kleines Geduldspiel. Man freute sich über jeden gelungenen Post. Irgendwann kam jemand zu mir und sagte „hey, hast Du dieses Meme gesehen?“ Es war von meinem Account. Da wusste ich, sie waren im Bundestag im Umlauf. Das war vor etwa zwei Jahren. Mittlerweile ist es ein nettes Hobby und ein schöner Weg, mit den Bundestagliatellen, wie wir uns nennen, in Kontakt zu sein.
Die Menschen im Bundestag (und darüberhinaus) kennen deinen Account, aber kenne sie auch dich als Person?
Nur etwa drei Leute hier wissen, dass ich den Account betreibe. Ich denke es ist wichtig, dass man nicht einer Partei oder Strömung zugerechnet wird. Bei Witzen könnte es sonst schnell heißen, ich sei parteeisch. Bin ich ja bestimmt auch irgendwo, aber der Anspruch ist, dass alle gemeinsam lachen können.
Deswegen führen wir das Interview auch anonym. Nur noch eine Frage zu deiner Person: wie gehts nach der Wahl weiter mit dem Account?
Das haben jetzt wirklich viele gefragt. Ich habe den Eindruck, dass die Memes ein Stück weit Teil der Mitarbeiterkultur im Bundestag geworden sind. Deshalb sollte es irgendwie weitergehen. Die Chance, dass ich selbst noch dabei bin, sind etwa 50/50. Wenn es nicht klappt, können wir versuchen, den Account irgendwie zu überführen. Auch dass ich eine andere Stelle im Bundestag annehme, ist zumindest nicht ganz ausgeschlossen. Also kurz: Nicht nur für den Bundestag ist gerade die Zukunft ungewiss, auch für die Bundestagsmemería.
Wäre es nicht schön, wenn sie irgendwie offiziell dokumentiert würden?
Offiziell dokumentiert vom Deutschen Bundestag und ausgestellt, etwa auf deren Website? Ich kann mir das von den Abläufen nicht so genau vorstellen. Wäre ich weiterhin frei, alles zu posten was ich will? Oder müsste vielleicht jemand kuratieren? Ich schreibe ja immer wieder „nicht im Organigramm“. Die Bundestagspräsidentin hat schon mit den Posts interagiert; hat geliked und kommentiert. In der Verwaltung kennt man die Memes auch. Wenn das jemand in irgendeiner Form ausstellen oder dokumentieren will, kann er sich gerne melden. – oder war die Frage anders gemeint?
Nee, genauso. Ich bin nämlich grosser Fan von Memes. Was fasziniert dich daran?
Memes waren sehr lange ein Trend der Jugend, bis sie dann in dieser komischen Zeit zwischen 2014 und 2016 im Mainstream ankamen. Der erste Trump-Wahlkampf war bereits voll damit. Unternehmen, Vereine, Parteien, alle nutzen sie mittlerweile. Memes nehmen ein Bild aus der Popkultur und geben ihm einen neuen Kontext. Sie vermitteln also extrem komplexe Gefühle, weil sie bereits in der Öffentlichkeit eingebettet sind und nur noch für die eigene Aussage oder den eigenen Scherz angepasst werden müssen. Wir müssen nur ein Gefühl nehmen wie Angst, Verzweiflung, Liebe, Euphorie und zu jedem haben wir gleich mehrere mögliche Memes, die wir dafür verwenden können. Gleichzeitig kann man auch Bilder nehmen, die als Meme noch nicht aufgetaucht sind und daraus ein neues Meme gestalten. Nehmen wir einen komischen Blick eines Politikers oder nur einen umgekippten Kaffeebecher. Sie werden ikonisch, weil wir alle verstehen, welche Emotion dahintersteckt.
Erstaunlich ist, dass deine Memes Menschen über Parteigrenzen hinweg verbinden. Hast du eine Idee, warum das funktioniert?
Ich habe schon für mehr als eine Partei gearbeitet und kann aus Erfahrung sagen, dass es in jeder Partei Menschen gibt, die auch mal über sich selbst lachen können. Man ist nämlich häufig auch über die eigenen Probleme frustriert. Natürlich muss man aber darauf achten, nicht einseitig zu werden im Humor und es gehört auch dazu, in manchen Situationen Fingerspitzengefühl zu haben und nicht „billig“ nachzutreten. Viele Motive haben aber auch mit der unpolitischen Seite des Alltags im Bundestag zu tun, etwa dem Kantinenessen. Mandatsträger sind mit Likes aber sehr vorsichtig, das merkt man. Ich habe erfahren, dass viele Abgeordnete sich die Sachen gegenseitig zuschicken, auch wenn sie nicht folgen oder liken. Daran merkt man, dass es am Ende doch interne und externe Trennlinien gibt.
Was war dein Lieblings-Meme in dieser Legislaturperiode?
Es ist so schwer sich überhaupt für eine Top 5 zu entscheiden, aber wenn es sein muss, sage ich mal die Reihe mit dem Schäferhund, der auf dem Stuhl der Bundestagspräsidentin sitzt und lustige Ansagen macht.
Mehr über Memes hier im Blog und auf @kommemetare auf Instagram:
- Die Sekunden Aura von Memes
- Das Phänomen Unternehmens-Memes
- Die Glut-Theorie der öffentlichen Debatte
- Die monatliche Rubrik „Netzkulturcharts“
- Das Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“