Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletters.
Auf Tiktok reposte ich übrigens Clips, die mir besonders auf- oder gefallen.
Auf Instagram komMEMEtiere ich dann und wann Aktuelles – und erzähle Hintergründe zu Memes.
Platz 1: Obama rappt Eminem
Keine reine Netzkultur und doch die Idee von Referenz und Netzwerk auf großer Bühne: Auf einer Wahlkampf-Veranstaltung für Kamala Harris in Detroit traten Barack Obama und Eminem auf. Der Ex-Präsident direkt nach dem Rapper, der sich in seiner Heimatstadt für dem Vizepräsidentin aussprach. „Ich werde normalerweise nicht nervös“, gestand Obama, aber nach Eminem auf die Bühne zu gehen, habe ihm doch feuchte Hände und weiche Knie gemacht. Und die Art wie er das sagte, machte klar: Hier weiß jemand, was Eminem in „Lose Yourself“ rappt. Er übernahm die Zeilen und übertrug sie auf sich. Das war erstaunlich und zeigte die Grundregel für gute Redner:innen: sich selbst kleiner machen. Obama machte das auf schönste kopierende Art – und war sich auch einer kleinen Peinlichkeit nicht zu schade. Jedenfalls schien er sich seines Raps tatsächlich ein klein wenig zu schämen.
Besonders schön, dass er nicht den Einstieg des Songs referenzierte, der in der Netzkultur häufig als Dialog-Anfang genutzt wird – worauf die mit „If you had one shot or one opportunity. To seize everything you ever wanted in one moment. Would you capture it oder just let is slip?“ stets antworten: Moment, hast du gerade Eminem zitiert?
Platz 2: Dinge, die du nicht tun solltest
Menschen stehen vor der Kamera, zeichnen mit beiden nach oben gestreckten Hände eine Fläche über ihre Köpfe, auf der (in Varianten) der Satz steht „Dinge, die du nicht tun solltest, wenn…“ Der Bezug auf die jeweilige Situation wird im nächsten Schnitt aufgelöst, wenn die gleiche Person in dem genannten Kontext zu sehen ist – wie sie mit beiden Händen eine Fläche in die Luft zeichnet. Unterlegt ist dieses immer gleiche Bildmotiv mit dem Anfang des Songs „Midnight City“ von M83.
Besonders gefällt mir an diesem Meme seine Meta-Ebene: Es erhebt sich scheinbar über eine Situation und macht sich dann im nächsten Schnitt über sich selbst (und natürlich auch über die karikierten Tutorial-Videos) lustig. Hier der Instagram-Sound, unter dem zahlreiche Beispiel versammelt sind.
Platz 3: Unternehmens-Memes
Memes sind zu Ausdruck einer bestimmten Kommunikationsform, die vor allem von jüngeren Menschen genutzt wird – um besondere Situationen zu kommentieren und einzuordnen. Kein Wunder, dass dieses Ausdrucksform jetzt auch in beruflichen Kontexten zu finden ist.
Instagram-Accounts, die das Leben in einem Unternehmen kommentieren, sind eine sehr gegenwärtige Form der Unternehmenskommunikation – ich habe das hier ausführlicher beschrieben.
Platz 4: Talahon im Bundestag
Über das Jugendwort „Talahon“ und seine ausgrenzende Konnotation haben wir hier schon häufiger gesprochen. Diesen Monat ist es nicht nur kann bei der Wahl zum Jugendwort des Jahres gescheitert. Diesen Monat lieferte der Talahon auch die Referenz für eine Debatte im deutschen Bundestag. Die Akteure: der fraktionslose AfDler Matthias Helferich und der FDP-Bundestagsabgeordnete Muhanad Al-Halak. Letzterer lieferte eine passende Replik auf Helferichs Auftritt im Talahon-Kostüm im Parlament. Er sagte: „Ich war auch schon mal ein Talahon. Und heute stehe ich vor Ihnen. Ich hoffe, Sie ärgern sich richtig.“
Platz 5: Gen-Z-Sprache
Es gibt einen Antwort-Trend auf das Phänomen des „der Gen-Z-Kollegen schneidet eine Video“-Meme, hier in der Variante des Übersee-Museums in Bremen. Das Muster ist dabei stets: eine erkennbar nicht Gen-Z-Person stellt etwas in der vermeintlichen Gen-Z-Sprache vor. Die Herausforderung ist dabei stets: Tatsächlich junge Sprache zu erwischen, ohne cringe zu werden ;-)
🎵 Ungebetene Ohrwürmer* des Monats 🎵
1️⃣ Eminem: „Lose Yourself“
2️⃣ M83: „Midnight City“
3️⃣ Taylor Swift: „Look what you made me do“
4️⃣ DJ Johnrey „Emergency“
5️⃣ Freak Nasty: „Da Dip“
* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.
Besondere Erwähnung
Sophie Diener hat ein Gedicht übers Anfangen geschrieben, das mir sehr oft in die Timeline gespült wurde. Womöglich ist es sogar viral gegangen.
Krombacher Spezi macht Werbung mit Meme-Detektiven auf Tiktok.
Levi Penell macht was mit und in Castrop-Rauxel. Hier schon in der dritten Referenz.
Mehr zum Thema Netzkultur gibt es in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ und im monatlichen Newsletter ,Digitale Notizen‘. Im Account @komMEMEtare poste ich zudem auf Instagram aktuelle Memes und Hintergründe.