Die wichtigste These für digitales Marketing lautet:
Wenn du viel erreichen möchtest, musst du Begrenzung üben
Ich habe diese These unlängst hier schon mal beschrieben – und an diesem Wochenende hat der deutschsprachige Markt den perfekten Beweis dafür gesehen: das Einladungs-Marketing der Audio-App „Clubhouse“. Denn diese bisher nur für iOS nutzbare App ist nicht nur ein interessantes Produkt, spannend ist vor allem, wie die Macher:innen von Clubhouse den Eindruck erwecken, es könne sich um ein interessantes Produkt handeln: durch Begrenzung. (Foto: Unsplash)
Um das zu erklären, hier die wichtigsten Fragen zum Hype der Stunde – und zum Abschluss die wichtigste Antwort: Warum ist das eigentlich wichtig?
1. Was ist Clubhouse?
Clubhouse ist der Hype der Stunde – und eine Quatsch-App. Also eine App zum Quatschen, in der Fachsprache könnte man sie Social-Audio-App nennen. Clubhouse überträgt die Idee von digitalen Räumen auf Sprache, Nutzer:innen können sich dort in Räumen zum Sprechen verabreden. Salopp formuliert könnte man sagen: Was die Sprachnachricht für den Messenger ist, ist Clubhouse für Social-Media, also sowas wie die Messenger-Gruppe zum Reden.
Zentrales Feature sind Nutzer:innen-Rollen: Sie können als Zuhörer:in, Sprecher:in oder Moderator:in in einem Clubhouse-Raum auftreten. Weil die Macher:innen der App dafür in der Frühphase prominente Stimmen gewinnen konnten, wurde das Angebote schon früh hoch bewertet – was man zwingend als Bestandteil der Marketingstrategie lesen muss: eine anonyme Bewertungsmacht schreibt dem Angebot Wert zu, das ist dann besonders reizvoll, wenn man möglichst wenig versteht, worum es eigentlich gehen soll (Details bei t3n).
Meine These: Es geht um den Versuch, die Dynamik sozialer Netzwerke rund um das gesprochene Wort zu entfachen. Clubhouse bündelt damit die Hypethemen: Messenger (Dark Social), Audio (Podcast) und App-Netzwerke zu einem dreifach Hype, den sie dann auch noch beispielhaft vermarkten – über eine Invite-only-Strategie.
2. Wie kriege ich ein Invite zu Clubhouse?
Diese Frage zu stellen, zeigt bereits, dass die Begrenzungs-Mechanik hinter dem Marketing greift. Durch die Produkteinführung einzig über Einladungen dreht Clubhouse die Wahrnehmung neuer Produkte um. Klassischerweise versucht ein neues Produkt, deine Aufmerksamkeit zu erlangen. Marketing zielt genau darauf ab, dir die Eigenschaften und Besonderheiten des neuen Produkts zu zeigen. Durch die Begrenzungs-Mechanik bist jetzt du auf der Suche nach einem Invite. Du informierst dich über das Produkt und deine Aufmerksamkeit wird aktiv darauf gerichtet. Egal, ob du dich am Ende anmeldest oder nicht: das Marketing hat damit mehr erreicht als jede Plakat-Kampagne schaffen kann. Es hat das Produkt in deinem Kopf verankert – und mit einem Bedürfnis verbunden. Du willst eine Einladung haben.
Dabei sind die Produkteigenschaften erstmal zweitrangig. Wichtig ist: Nutzer:innen, die drin sind, müssen davon erzählen. Und auch hier greift die Begrenzungs-Mechanik, sie gibt denen, die einen Account haben, nämlich das Gefühl, ausgewählt oder etwas Besonderes zu sein. Distinktion at it’s best!
Aber Distinktion ist ja so lange wertlos, wie ich nicht drüber sprechen kann. Also werde ich davon erzählen – und um das zu unterstüzen, gibt Clubhouse jede:r Nutzer:in Einladungscodes zum Verschenken (Bemerkenswert bei dieser Form des Invites: jede:r Nutzer:in führt am Fuß der Profilseite den Hinweis auf seine Einladung). Diese kann man allerdings erst weitergeben, wenn man dem Dienst Zugriff aufs Telefonbuch gewährt. In der Sprache der App heißt dies: „Wir müssen nur nachschauen, wer schon drin ist“ in der Sprache des Marketings bedeutet es: „Erst durch das Netzwerk wird das Werk veredelt – also versuchen wir das Netzwerk unserer Nutzer:innen abzugreifen.“
3. Warum ist das wichtig?
Wegen der Begrenzungs-Mechanik. Sie ist das perfekte Beispiel dafür wie Aufmerksamkeit als zentrale Währung im digitalen Ökosystem verteilt wird.
Ob Clubhouse dabei tatsächlich auch ein interessantes Produkt ist? Das kann zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich niemand so richtig beurteilen. Sehr sicher kann man aber lernen, wie man einen Hype anzettelt: Wenn du viel erreichen willst, musst du den Eindruck erwecken, es gebe einen Lieferengpass.
Am Freitag 22.1. um 21 Uhr machen Lucas und ich einen Live-Test mit unserem Podcast Wirbt-Das? in und über Clubhouse
Weniger schafft mehr – das Prinzip „Steigerung durch Begrenzung“ (Digitale August-Notizen)