Was ist eigentlich Digitalisierung? (Digitale Notizen April 2025)


Dieser Text ist Teil der April-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, der immer zum Ende eines Monats erscheint. Hier kannst du ihn kostenlos abonnieren.


Eine Einladung an die Akademie für Theater und Digitalität hat mich in diesem Monat gezwungen, meine Thesen zum Thema Digitalisierung zu bündeln. Am Wochenende habe ich in Dortmund in zehn konkreten Unterpunkten die Frage beantwortet: Was ist eigentlich Digitalisierung?

Ich habe den Vortrag „Kunst, Kopie & KI – ein neuer Blick auf Digitalisierung“ genannt und möchte die zehn grundlegenden Thesen hier teilen. Sie beziehen Ideen und Perspektiven ein, die ich in einigen meiner Büchern vorgestellt haben. Wenn man so will sind sie eine Art Best of meiner Digitalisierungs-Bücher.

1. Alles ist Kopie

Die historische Ungeheuerlichkeit der digitalen Kopie schafft ein kosten- und verlustfreies Duplikat: Vorlage und Vervielfältigung sind nicht zu unterscheiden. Und im Kern ist auch Künstliche Intelligenz nichts anderes als Kopieren – aber auf einem viel höheren Niveau

2. Kultur wird zu Software

Die digitale Kopie hat ein neues Öko-system mit anderen Temperaturen geschaffen. Inhalte verändern dadurch ihren Aggregatzustand – sie verflüssigen sich. Aus dem monolithischen Lexikon ist die Wikipedia geworden, die wie ein Liveticker aktualisierbar ist.

3. Kontext schafft Wert

Vorlage und Vervielfältigung unterscheiden sich nicht im Inhalt, sondern in den Meta-Daten (Beschreibung im Hinblick auf die Beziehungen untereinander). Mit diesem Wissen ist Kopieren also kein Raub am Original, sondern die Produktion von Meta-Daten. Sie beschreiben den Kontext, der den Weg beschreibt vom Werk zum Netzwerk.

4. Das Ende des Durchschnitts

Von der Lautsprecher- zur Kopfhörer-Kultur: Die Kopie schafft Versionen und Kontexte. Sie öffnet Netzwerke und Räume, in denen Inhalte personalisierbar sind. Die Massenkultur wird zur Kultur der massenhaften Nische – und beginnt stets beim Interesse der Nutzer:innen.

5. Das (unkopierbare) Erlebnis

Von der Rampe zum Raum: Niemand lässt eine KI puzzlen. Es geht nicht um das (End-)Produkt – es geht um den Prozess. Gleiches gilt auch für das Erleben digitaler Produkte. Wir erleben einen Weg vom Produkt zum Prozess, der ein unkopierbares Erlebnis schafft.

6. Der Kontrollverlust

Alle können veröffentlichen – und jetzt auch Maschinen. Der doppelte Kontrollverlust zeigt: Wer Meta-Daten besitzt, hat Macht. Wer sich nicht überfordert fühlt, hat sich nur nicht ausreichend mit den Krisen der Gegenwart beschäftigt.

7. Das fehlende Ende

Wer darauf gehofft hatte, dass die Transformation irgendwann aufhört, wird enttäuscht. Digitalisierung ist ein lebenslanges Lärmen – das neues Denken und eine neue Begründung von Autoritäten verlangt. In einer Welt, in der alle publizieren können, braucht es hybrides Denken – also das Aushalten, dass es nicht nur entweder-oder, sondern immer häufiger sowohl-als-auch gibt.

8. Aufmerksamkeits-Armut

Informationen verbrauchen die Aufmerksamkeit ihrer Empfänger:innen. Die Zukunft der Öffentlichkeit(en) entscheidet sich an der Frage, wie wir mit Aufmerksamkeit umgehen. Denn energy flow where attention goes.

9. Human in die Loop

Die Beschäftigung mit künstlicher Intelligenz rückt die Aspekte menschlicher Intelligenz in den Mittelpunkt – nicht als Widerspruch, sondern als Definitionspunkt! Am Beispiel der Frage „Meinst du das auch so?“ kann man illustrieren, dass auch hier die Entwicklungslinie vom Werk zum Netzwerk geht. Nicht das perfekte Produkt ist entscheidend, sondern die Entstehungsbedingungen.

10. Digitales Lesen lernen

Um digitale Instrumente besser benutzen zu können, müssen wir digitales Lesen – das bezieht sich rein technisch auf den digitalen Input, es beschreibt aber auch digital literacy. In jedem Fall müssen wir Aufmerksamkeit auf das richten, was wir in die Maschine reinstecken und weniger auf das, was die Maschine produziert (Garbage in, garbage out)


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