Der geschätzte Kollege Matthias Spielkamp hat fünf Thesen zur Journalistenausbildung veröffentlicht, die einen sehr spannenden Blick auf den sich verändernden Beruf des Journalisten werfen. Sie lauten …
* Es geht um Journalismus – nicht Online-Journalismus
* Jeder Verlag, jeder Sender muss “digital residents” als Ausbilder haben
* Fail early and often – für eine “Fehlerkultur”
* Souveräne Journalisten freuen sich über Widerspruch
* Redaktionen müssen von ihren Volontären lernen (also Volontäre finden, von denen sie etwas lernen können)
… und entstammen dieser Präsentation, die Matthias im Rahmen des ifp-Kolloquiums für Volontärsausbilder gehalten hat (Disclosure: ich bin ebenfalls dann und wann für das ifp im Einsatz).
Präsentation und Thesen finden mein Interesse und meine Unterstützung, weil sie auf einem modernen Journalistenbild aufbauen, in dem Dialog kein Übel, sondern eine Chance ist. Doch gerade deshalb habe ich mich gefragt, ob der Punkt „Souveräne Journalisten freuen sich über Widerspruch“ nicht etwas übers Ziel hinaus schießt. Würde hier nicht „Souveräne Journalisten reagieren auf öffentlichen Widerspruch“ zunächst ausreichen?
Denn nicht jeder Widerspruch ist eine Freude: Wer je in die Schusslinie von Meinungskämpfern geriet, die ihre fehlende Korrektheit zum Markenzeichen gemacht haben (und so auch ihr Sammelbecken nennen) oder von Vertretern einer bestimmten Glaubensgemeinschaft in ziellose Debatten verstrickt wurde, der weiß: Freude geht anders.
So richtig es ist, auf die Notwendigkeit eines konstruktiven Dialogs mit dem Leser hinzuweisen, so wichtig ist es, nicht zu verschweigen, dass dieser nicht immer einfach und ganz sicher nicht immer voller Freude ist. Der ebenfalls sehr geschätzte Kollege Michalis Pantelouris hat dies im Rahmen seines Neon-Experiments (das ihm viel Leser-Kommentar-Gegenwind einbrachte) so resümiert:
Unabhängig davon war ich doch überrascht, wie sich manche Kommentatoren öffentlich im Ton vergreifen, und versuchen, einen Autoren persönlich anzugreifen. Mich trifft so etwas eher wenig, aber als Vertreter der These, dass es sich für Journalisten lohnt und wichtig ist, mit Lesern zu diskutieren und erreichbar zu sein, stehe ich dadurch viel blöder da, als ich es vorher erwartet hätte. Ein paar Kollegen werden auch das wieder als Beleg dafür sehen, dass „im Internet“ immer nur „der Pöbel“ unterwegs ist, und das ärgert mich doch ziemlich, denn ich glaube das nicht, und ich glaube auch, die wenigen wirklich nur auf Beleidigung angelegten Kommentare rechtfertigen das nicht – aber es ist die Rückmeldung, die ich von Kollegen kriege. Einige von ihnen werden sich jetzt noch weniger als vorher auf Diskussionen „mit den Spinnern“ einlassen, und das ist schade für die vielen Nichtspinner.
Ebenso schade ist es meiner Einschätzung nach für die Nichtspinner, wenn wir so tun als sei jede Meinungsäußerung eines Lesers (oft sind es ja sogar die Nicht-Leser, die ausfällig werden) per se ein Gewinn. Das stimmt nicht. Es gibt (unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausrichtung) gute und schlechte Leser-Kommentare und es gibt auch guten und schlechten Widerspruch. Und über letzteren kann ich mich nicht freuen.
2 Kommentare
Lieber Dirk, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Ohne jetzt zu harmoniebedürftig sein zu wollen, denke ich aber, dass es sich nur um eine Definitionsfrage handelt. Du hast mit allem Recht, was Du schreibst, nur habe ich beim Formulieren nicht einfach jeden Kommentar im Sinn gehabt, sondern den Widerspruch als die Äußerung einer gegensätzlichen Meinung als qualifizierte Entgegnung, die nicht nur polemisch oder ad hominem darauf zielt, den anderen lächerlich zu machen oder zu verletzten. Dass die Realität anders aussieht, weiß ich leider auch aus eigener Erfahrung. Selbstverständlich gibt es gute und schlechte Kommentare.
[…] Es erinnert uns an den grundlegenen Wandel, dem wir unterzogen sind (siehe dazu zum Beispiel die fünf Thesen von Matthias Spielkamp). Es hilft uns – vielleicht wie das beschriebene ABC des digitalen […]