Fünf Freitag Fragen

Die FAZ hält es für „ein in Deutschland bisher einmaliges Projekt: die Gleichberechtigung von Print und Online“, an anderer Stelle spricht man von einer „revolutionären Umstellung“ (F!XMBR) bzw. von der „elektronischen Revolution“ (Frankfurter Rundschau). Gemeint ist der angekündigte Start des umgebauten Freitag.

Dass der Guardian für viele deutsche Zeitungen ein großes Vorbild ist, kann man ahnen. Beim Freitag kann man es jetzt auch sehen: Das „Meinungsmedium“ sieht dem britischen Branchenvorbild nicht nur verdammt ähnlich, es übersetzt auch Texte aus London. Das läuft unter dem Titel „Syndication“ und liefert in der Premieren-Ausgabe zum Beispiel ein Porträt der Berlinale-Jurychefin Tilda Swinton, das – obwohl doch sehr kulturell – im Ressort Alltag läuft.

Als Fan des Guardian kann man so etwas natürlich nur begrüßen. Überhaupt: Der neue Freitag macht verdammt viel verdammt richtig. Das bezieht sich auf die grundsätzliche Linie (Redaktion und Leser arbeiten gemeinsam an ihrer Lieblingszeitung etc.), auf die Print- und Netz-Verbindung und vor allem auf viele schöne Details wie das Alphabet der Gegenwart, das Logbuch (warum nur die obersten drei Einträge?) oder die Integration von Bildergalerien in den Text.

Aber gerade weil hier vieles so gut ist, gibt es an einigen Stellen Anlass zur Verwunderung – meine fünf Freitag Fragen:

1. Wieso Blogs?
Mal abgesehen von der Frage, ob es nicht das Blog heißen muss: In der gedruckten Ausgabe wird der Begriff meiner Meinung nach inflationär benutzt – und in der Online-Community gibt es sogar nur noch Blogs. Auf gewöhnliche Profilseiten wie man sie aus anderen Netzwerken kennt, hat man verzichtet. Jeder, der sich in „Deutschlands größter Redaktion“ beteiligen will, muss Blogger werden, d.h. man muss einen Projektnamen und Blog-Titel auswählen, wo man vielleicht einfach nur einen Account zum Mitdiskutieren anlegen will. Warum eine derart hohe Einstiegshürde?

2. Wo ist die Redaktion?
Natürlich ist die Formulierung von der Augenhöhe, auf der sich Redaktion und Leser begegnen sollen, platt, aber sie ist richtig. Beim Freitag scheint sie leider noch nicht so konsequent umgesetzt zu sein wie angekündigt. Warum zum Beispiel sieht das Impressum des modernen Meinungsmediums genauso aus wie bei unmodernen Seiten? Wo sind die Profilseiten der Redakteure? Wie kann ich mit ihnen in Kontakt treten?

Verwundert stellt man fest, dass gewöhnliche Blogger-Namen (rot) z.B. auf Übersichtsseiten verlinkt sind, blaue Autoren-Namen (aus der Zeitung) jedoch nicht. Das führt nicht nur zu einem Usability-Missverständnis, es ist auch ein Stopp auf halber Strecke in Richtung Augenhöhe. Warum können Leser und Redakteure nicht einfach miteinander reden?

3. Was will der Blogger Der Freitag?
Haltung ist den Machern des neuen Freitag wichtig. So wichtig, dass sie die Meinung sogar in die Unterzeile des Titels genommen haben. Warum aber gibt es im Meinungsmagazin, das eine „Community“ (ist das wirklich schon der beste Titel für die Freitag-Welt?) von Autoren sein will, einen Nutzer namens Der Freitag, also jemanden, der offenbar eine einheitliche Redaktionsmeinung verkündet? Warum schreiben „Tessa und Peggy Community-Team“ nicht als Tessa und Peggy?

4. Warum komplizierte Quick-Links?
Wie lenkt man Leser einer gedruckten Publikation auf weiterführende Informationen im Netz? An dieser Frage sind schon ganz andere gescheitert. Die Lösung beim Freitag: Quicklinks bestehend aus dem Datum und einem Schlagwort, also 0906-protest zum Beispiel. Doch vorsichtig: Diesen Code muss man nicht wie im Blatt abgebildet in das Suchfeld, sondern in die Browserzeile eingeben.

Warum so kompliziert? Einfacher wäre es doch, Zusatz-Informationen über eine Autorenprofilseite zu verbreiten, die als Autorenzeile unter den Text geschrieben wird. Und wenn man schon unbedingt Quick-Links einsetzen möchte, dann doch so wie bei Neon – einfach, übersichtlich und ohne, dass der Leser sich einen Zahlencode merken muss.

5. Passen Form und Inhalte zusammen?
Die entscheidende Frage wird jedoch nicht in Quicklinks oder Profilseiten beantwortet. Die entscheidende Frage müssen die nächsten Ausgaben der Zeitung beantworten. Sie lautet: Liefert der neue Freitag tatsächlich relevanten Inhalte? Bekomme ich dort neben Übersetzungen aus dem Guardian weitere journalistische Glanzstücke? Gibt es tatsächlich Einordnung, Haltung und Analyse in einer Form, die ich sonst nicht finde? Und: Sind die Inhalte genauso auf der Höhe der Zeit wie die publizistische Form?

Der Beweis wird an den nächsten Donnerstagen (sic!) am Kiosk zu erbringen sein. Denn die Premieren-Ausgabe ist zwar in der Form ungewöhnlich und mutig, inhaltlich bleibt sie aber – wie Hans-Joachim Lenger (aus ganz anderer Haltung) im Deutschlandfunk kritisiert – doch eher dürftig.

Aber Revolutionen müssen auch wachsen können.

4 Kommentare

An einer Stelle versuchen wir die Meinungen vom Team des Freitag darzustellen, um die Übersicht zu wahren und grundlegende Fragen zu beantworten. Da kein Mitarbeiter der Community 365 Tage im Jahr rund um die Uhr die Community betreuen kann, gibt es den Nutzernamen „Der Freitag“. Peggy und Tessa gibt es selbstverständlich auch eigenständig, mit eigenen Meinungen und Ideen. Mich gibt es zum Beispiel hier.

Beste Grüße

Tessa

Auf mich wirkt freitag.de sehr wie jetzt.de für Erwachsene – nicht nur, weil sich den arg prätentiösen Titel „Freitag-Publizist“ frühere jetzt-User gleich im Dutzend anheften, sondern auch, weil die Idee Userinhalte zu drucken ja auch nicht unbedingt die Allerneueste ist – aber so verkauft wird. Ob das mit dem Usercontent generell eine so großartige Idee ist, das bleibt abzuwarten – eine Community braucht viel Zeit und Geld, um gut zu werden. Und ob man wirklich arg banale Userzitate auf die Titelseite einer Zeitung wie dem Freitag drucken muss – auch fraglich.

Daniel, das würde ich selber natürlich so nicht sagen, aber ganz gewiss widerspreche ich dir nicht. Wobei es ja durchaus schlechtere Inspirationsquellen gibt als jetzt.de und den Guardian ;-)

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