Der Münchner Anwalt und Schriftsteller Georg M. Oswald schreibt heute in der Welt unter dem Titel Die Schläger sind unter uns über den Münchner S-Bahn-Mord und seine Folgen im Netz:
… es ist en vogue, gegen Demokratie und Rechtsstaat zu wettern. Wer es nicht glaubt, der begebe sich in die Internetforen der großen deutschen Tageszeitungen. Dort wimmelt es nur so von Forderungen nach drakonischen Strafen, Arbeitslagern, Hinrichtungen, Lynchjustiz, Volksbewaffnung, Ausweisung ausländischer Straftäter, immer verbunden mit dem Hinweis, die Politik sei untätig, erlasse keine härteren Gesetze, die Justiz sei zu lasch, das Jugendstrafrecht dürfe auf Jugendliche nicht angewendet werden, es dürfe keine Gutachten geben, kein in dubio pro reo, kein nemo tenetur…
Die Pressefreiheit ist der demokratische Anspruch schlechthin, die Presse, wenn alles gut geht – und das tut es sehr oft – ein Wächter der Demokratie. Es ist deshalb eine Frage wert, warum die angesehensten Zeitungen dieser Republik Foren zur Verfügung stellen, in denen ihr eigener Anspruch derart missbraucht wird.
Ebenfalls heute ist der Text Newspapers get the kind of communities they deserve von Mathew Ingram erschienen, darin beschreibt der Community-Redakteur der kanadischen The Globe and Mail, wie er glaubt, dass Foren von Tageszeitungen an Wert gewinnen:
If my research has taught me anything — not to mention writing columns and a blog for 15 years — it is that the surest way to improve the tone of the debate in forums or comments is to get involved in them. Writers who do, both at the Globe and elsewhere, uniformly say it has a significant effect on the civility of the comments they receive afterwards. On top of that, there is almost always a pleasant surprise on the part of readers that a writer is actually responding.
Nicht nur, weil ich selbst unlängst darauf hingewiesen habe, ist Ingrams Text lesenswert. Er kommt zu dem Schlus:
All we have left is the trust that our readers — that our community — have in us. And how do we gain and keep that trust? By telling them the truth — but also by listening to them and valuing their input, and making them an equal partner in what we are doing. Only then will we get the kind of community that really matters.
4 Kommentare
Wir wollen eins dabei nicht vergessen: Die ‚Welt‘, wo dieser Artikel seltsamerweise erschien, ist mit ihrem ureigensten Forum beim Daherschmuddeln und beim virtuellen Lynchen immer vorne mit dabei …
[…] von Gehlen, dem auch das [via] zu obigem Artikel gehört, verweist auf einen Erklärungsversuch von Mathew Ingram, dem […]
[…] im Netz einzulassen ist die: Da steht doch eh nur Quatsch. Es gibt leichtere Aufgaben, als die Qualität vieler eniger Leser-Meinungen zu verteidigen. Deshalb habe ich mir – als ich unlängst mal […]
[…] In den Kommentaren unter dieser Ankündigung lässt sich einiges darüber erfahren, vor welchen Herausforderungen Zeitungen im Internet stehen, wenn sie mit ihren Lesern und Usern diskutieren. Der Versuch aus […]