Der britische Arm von T-Mobile hat Menschen am Flughafen begrüßt – und das gefilmt. Der Welcome Back-Clip wird seit dieser Woche erfreut im Netz verlinkt. Man sieht Reisende, die aus dem Sicherheitsbereich des Flughafens treten und von singenden Menschen in Empfang genommen werden. Der Spot endet nach über drei Minuten mit dem Slogan, mit dem T-Mobile in Großbritannien wirbt:
Life’s for sharing
In Deutschland heißt der Slogan „Erleben, was verbindet“, doch darin fehlt ein entscheidender Bestandteil dessen, was der britische Slogan ebenfalls enthält: das Teilen, das Verbreiten. Man sieht Menschen, die Handys zücken, Filme und Fotos machen und diese natürlich weiterleiten. Diesen „Share“-Gedanken trägt T-Mobile auf einer eigenen Facebook-Seite und einem „Life’s for sharing“ genannten YouTube-Kanal weiter. Er ist die zentrale Botschaft des Mobilfunkanbieters, der die Infrastruktur zur Verfügung stellt, um Eindrücke, Events und Erlebnisse zu verbreiten. Das Leben, sagt dieser Spot, ist so schön und überraschend, teile es anderen mit und teile es mit anderen.
Ich zitiere diesen Spot (und den zugrunde liegenden Slogan) hier nicht, weil ich dafür bezahlt würde, sondern weil er für eine Geisteshaltung steht, die man sich immer dann vor Augen führen sollte, wenn die Rede mal wieder auf den Diebstahl kommt. Wir haben es der (ja unter anderem auch von der Telekom betriebenen) Nutzung englischer Begriffe zu verdanken, dass jedermann heute weiß, dass das Verb aus „Life’s for sharing“ auch in dem Wort „Filesharing“ vorkommt. Das englische to share beschreibt das (Mit)teilen von Dinge, das Verbreiten von Erlebnissen aber eben auch von Dateien (Files).
Die Haltung, aus der heraus Menschen (ich spreche hier bewusst von nicht gewerblich agierenden Privatpersonen) Tauschbörsen nutzen und das Sharing von Dateien betreiben, ist die, die in dem Spot gezeigt wird. Eine Haltung, die das Verbreiten und Teilen für eine Selbstverständlichkeit hält. Die Telekom setzt genau auf diese Haltung und Menschen, die so denken, fragen sich: Warum sollte was für Erlebnisse und Eindrücke selbstverständlich ist nicht auch für Dateien und MP3s gelten?
Wir müssen uns dieses Denken bewusst machen, wenn mal wieder der Vorwurf im Raum steht, Tauschbörsen-Nutzer seien Diebe. Ich glaube vielmehr, dass Tauschbörsen-Nutzer vor allem daran gewöhnt sind, dass das Teilen im digitalen Raum eine (aufwandsneutrale) Selbstverständlichkeit ist (und natürlich auch kein Diebstahl).
Hier treffen zwei Moralvorstellungen aufeinander: Auf der einen Seite jene, die im Weiterleiten einer Datei einen Diebstahl sieht. Und auf der anderen Seite die, in der das Teilen alltäglich ist. Das Ansinnen, eine Datei, einen Song oder einen Link davon auszunehmen (weil das ja Diebstahl sei), ist in seinem Kern zum Scheitern verurteilt, weil es auf einen anderen Wertekodex setzt.
Ich glaube, dass diese Kluft nicht mit Sanktionen und Drohungen zu schließen ist. Die Share-Kultur ist (nicht nur wegen des Telekom-Spots) zum Alltag vieler Menschen geworden (und die Telekom trägt weiter dazu bei). Wer die Debatte um den richtigen Umgang mit Tauschbörsen rein moralisch führt, muss sich darüber bewusst sein. Das Weitererzählen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Die Telekom setzt im obigen Spot darauf. Und die digitale Kopie hat das Weitererzählen von Dateien so einfach gemacht wie das Weitererzählen im analogen, echten Leben.
5 Kommentare
Hallo Dirk,
ich denke dass sich die Deutschen schwer tun mit dem Teilen. Du sprichst ja an, das der Spot aus Großbritannien kommt. Ich sehe da im Hinblick auf Urheberrechte und Veröffentlichungen deutliche Unterschiede in der Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit in Deutschland. Das sind starke Worte, ist mir klar. Ich unterscheide hier jedoch ganz klar zwischen globalen Medienkonzernen und einzelnen Wissensarbeitern. Wann funktioniert Sanktion und Drohung? Wer profitiert davon?
Sind da die Definitionen nicht etwas schwammig? Was teilen denn die Teiler konkret – eigene Werke? Ist es etwas anderes, wenn Künstler eigene Werke teilen? Teilen die Teiler überhaupt etwas – zum Beispiel auch nur das Risiko der juristischen Verfolgung oder sind die meisten Teiler tatsächlich nur Leecher? Teilen sie ein Erlebnis, eine Wahrnehmung, eine Idee, einen Eindruck, ein ästhetisches Empfinden? Teilt man das tatsächlich in Tauschbörsen mit?
Aber was teilen denn die Menschen in dem Spot, die ihre Handys zücken und Fotos machen? Du hast sicher Recht, Konrad, dass man sprachlich differenzieren muss. Mir ging es allerdings zunächst darum, auf die Geisteshaltung zu verweisen, in der das Teilen (auch fremder Inhalte) selbstverständlich ist. Die Bitte um eine Kopie abzulehnen ist in diesem Kontext moralisch merkwürdiger als die Kopie anzufertigen.
[…] heraus gar nicht erreichen können. Die Anschlusskommunikation, die das Netz ermöglicht, das Teilen und Mitteilen von Informationen ist in einer reinen iPad-Zeitung nicht möglich. Dadurch verzichtet […]
[…] Brett hat für die New York Times eine Untersuchung zu Share-Kultur im Netz gemacht. Seine Präsentation mit dem Titel The Psychology of Sharing kann man runterladen […]