Vergangene Woche habe ich einen Text von Betabeat auf Twitter verlinkt. Dort wird Michael Lazerwo, CEO von Buddy Media, mit den Worten zitiert
“The days of, ‘Do we publish on Facebook? Do we tweet?’ are over. Either you do it, or you’re crushed. Do it or go out of business.”
Den Hinweis auf diesen Text hatte ich von Steffen Konrath bekommen, der auf meinen Tweet reagierte und fragte, was denn sei, wenn es auch ohne Facebook gelingen könne, erfolgreich zu sein?
Ich erzähle das hier, weil ich nach seinem Tweet eine Weile darüber nachdachte und diese Frage (leicht abgewandelt) heute offenbar auch beim Medienforum NRW auftauchte: Müssen wir tatsächlich alle twittern? Müssen wir alle Facebook nutzen?
Wie ich bei Was mit Medien nachlese, hat Richard Gutjahr offenbar das dortige Podium (und vor allem Monika Piel) ein wenig provoziert – und zu den folgenden Aussagen gebracht:
Es ist absolut irrelevant, ob wir twittern oder nicht. (Anke Schäferkordt)
Ich finde es auch völlig irrelevant, die Frage, wer von uns twittert. Es geht hier nicht um uns als Privatpersonen, da würde ich Ihnen auch nicht erzählen, ob ich twittere oder nicht, da können Sie nachgucken. Es geht darum, was wir in den Sendern machen. (Monika Piel)
Verdammt nochmal, ich will mir selbst aussuchen können, wie ich mich informiere, bei wem ich mich informiere, und dann mich mit dem Vorwurf konfrontiert sehen: Du bist von gestern oder vorgestern. (Jürgen Doetz)
Die Aufregung war anschließend groß. Zumidest auf Twitter. Leider blieb es aber dabei (trotz guter Einlassungen z.B. von Christian Jakubetz und Jens Matheuszik) . Das ist schade, denn wenn mit solcher Vehemenz und Einstimmigkeit von privater wie öffentlich-rechtlicher Seite behauptet wird, etwas sei irrelevant (völlig bzw. absolut), kann man sich sicher sein: Es ist verdammt wichtig. Es ist so verdammt wichtig, weil die Frage so derart unbeantwortet im Raum steht: Gibt es tatsächlich eine Verpflichtung, sich mit diesem neuen Kram zu befassen?
Podien sind vermutlich die schlechtesten Orte, um solche Fragen zu beantworten. Trotzdem schade, dass (soweit ich das dem Transkript nach beurteilen kann) nicht mal der Versuch unternommen wurde. Denn ich glaube, dass die Antwort weniger staatstragend und groß ausfallen muss als der Vergleich mit den Facebook-Revolutionen in Nordafrika es nahelegt. Ich glaube, dass wir aus der großen Social-Media-Blase mindestens so viel Luft rauslassen müssen, bis das Wort „Dialog“ übrig bleibt. Bis wir erkennen, dass es Bestandteil des Verwertungszusammenhangs (Schäferkordt) und des öffentlich-rechtlichen Auftrags (Piel) ist, diesen Dialog als Journalist (als Person) und als Sender (als Institution) anzunehmen und zu gestalten. Alan Rusbridger und Peter Horrocks haben das in England bereits umgesetzt.
Steffen Konrath hat mir übrigens einen Cappuccino versprochen für die Antwort, die ich ihm schlussendlich gab:
Twitter – und damit der netzbasierte Dialog – ist nichts anderes als das Telefon.
Nicht komplizierter, aber eben auch nicht unwichtiger. Man kann auch als Journalist oder als Sender ohne Telefon sehr erfolgreich sein. Dennoch würde niemand auf einem Podium behaupten, es sei absolut irrelevant, ob man telefoniere oder nicht.
4 Kommentare
Abgesehen davon, dass die Provokation Gutjahrs die Diskussion in Schwung gebracht hat, hat sie auch die Standpunkte der einzelnen Vertreter klar hervor treten lassen. Leider hat sich bestätigt, dass Dialog bei den öffentlich-rechtlichen Medien nicht so gesehen wird, wie er bei Twitter & Co praktiziert und wie er durch diese (neuen) Medien forciert wird.
Bei den Öffentlich-rechtlichen versucht man mit den alten Argument von vermeintlicher Qualität und den aufbereiteten Schnipseln aus der Nachrichtenflut zu argumentieren, sie als Vorzug darzustellen und glaubt, das dies das wichtige ist. Diese Argumente kehren aber gerade den Inhalt von Medienkompetenz um: Dem Konsumenten/Nutzer/Dialogpartner wird die entsprechende Kompetenz abgenommen oder gar abgesprochen. Das Problem dabei: Gerade bei der jungen Generation kommt so etwas nicht gut an, weil gerade die Jungen sich über den eigenen Umgang mit den (neuen) Medien ihre Kompetenz erarbeiten und diese auch (natürlich in unterschiedlichen Ausprägungen) haben.
Leider wurde es in der Diskussion auf dem Podium nicht so klar heraus gearbeitet, wie ich es hier in dem Bog gefunden habe: Der direkte Dialog zwischen vermeintlichen Nachrichtenproduzenten und -konsumenten ist der wichtige neue Kern der neuen Medien. Diese Unterteilung von Konsument und Produzent von Nachrichten hebt sich sogar auf.
Ich glaube, dass dieser letzte Punkt das Hauptproblem bei den etablierten Medien ist, dass sie sich immer noch als ausschließlicher Produzent der Nachrichten sehen. Sie empfinden die Blogger und Twitterer als Konkurrenz und nicht als Partner. Ihnen entgleitet die Oberhand über die Nachrichtenwelt und sie sind (noch) nicht in der Lage zu erkennen, dass dies eher eine Chance, denn eine Bedrohung ist. Insofern hat die Provokation Gutjahrs ein nicht von der Hand zu weisendes Gleichnis.
Piels money quote: „Der WDR ist seit 28 Jahren im Netz.“ Heiligs Blechle …
[…] von Dirk von Gehlen. Er ist Redaktionsleiter von jetzt.de, von der Süddeutschen Zeitung und kommentierte in seinem Blog so: „Twitter – und damit der netzbasierte Dialog – ist nichts anderes als das Telefon. Nicht […]
[…] des BR erinnern, sie leiht sich von deren Nachtausgabe auch den Moderator aus. Richard Gutjahr präsentiert vier Wochen lang diese besondere Form der Spätnachrichten im Bayerischen Fernsehen […]