Twitter und die Zukunft der Nachrichten

Was gab es nicht alles über Twitter zu lesen. Dass es von gestern sei, verriet Tyler Brûlé, dass es nur ein Medienhype und mit Second Life vergleichbar bzw. überhaupt ein großes Kommunikationsmissverständnis. Und in der Reihe der Belanglosigkeits-Beschimpfungen schrieb die Zeit vor einem Jahr

An der konzertierten Banalität erkennt man schnell, dass einen gewaltigen Vogel haben muss, wer da noch mitsingt. Warum das Ganze trotzdem so populär ist, ist schnell erklärt: Erstens haben Menschen einen nahezu unerschöpflichen Geltungsdrang. Und zweitens gibt es wie für Klowände keine Qualitätskontrolle, keine Mindeststandards.

Und jetzt das: Erst sagt der Director of BBC Global News, dass es ohne Twitter nicht mehr geht. Dann sagt das auch Frank Schirrmacher und in dieser Woche kann man auf faz.net sogar lesen: „Auf Twitter entsteht eine kollektive Intelligenz“.

In dem Artikel berichtet Holger Schmidt von einer koreanischen Studie, die Twitter als Nachrichtenmedium beschreibt und die Bedeutung für die Informationsverbreitung herausstellt. Darin steckt viel von dem, was ich unlängst als soziales Wissen zu benennen versucht habe. Was das alles für den Journalismus heißen kann (und für die Art wie wir Empfehlungen verstehen), hat Kathrin Passig in ihrer (wie immer großartigen) aktuellen Merkur-Internetkolumne beschrieben:

Twitter wird im Folgenden noch öfter als Beispiel herhalten müssen, weil es wegen seines geringen Funktionsumfangs ein Mikrolabor darstellt, in dem man verschiedene Phänomene in Reinkultur beobachten kann. Kaum ein Onlineangebot ist so konsequent und vollständig den persönlichen Interessen angepasst. Dass eine der Methoden, die verwirrende Fülle des Internets in den Griff zu bekommen, das individuelle Ausblenden von Störfaktoren ist, zeichnet sich schon seit einigen Jahren ab. Seit Dezember 2009 erhält jeder Nutzer der Google-Suche Suchergebnisse auf der Basis seiner vergangenen Suchanfragen und – unter bestimmten Voraussetzungen – seiner besuchten Seiten. Es gibt keine »normalen« Google-Ergebnisse mehr, und wer seine eigene Firmenweb site auf Platz eins der Suche vorfindet, kann nicht länger davon ausgehen, dass das auch für andere so ist. In naher Zukunft wird »das« Internet noch weniger existieren, als das jetzt schon der Fall ist. Was bei Google automatisch passiert, wird bei Twitter von Hand justiert, aber das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe: Der Nutzer bekommt das zu sehen, was er sehen will, der Rest bleibt ihm erspart.

Wer den Text zuende liest, lernt eine Menge über soziales Wissen und über das Wesen der Online-Empfehlungen. Wie das praktisch umgesetzt werden kann, zeigt übrigens das spannende Projekt Hunch, von dem hier unlängst schon die Rede war.