Und für jene Texte, die ohne frische Luft und den Versuch, der Wirklichkeit ein paar Aussagen abzuringen, nicht zu haben sind, hat sich der Begriff „Reportage“ etabliert, über den sich, weil er ein bisschen prätentiös klingt, schon Tucholsky lustig machte (er nannte das Genre „Reportahsche“).
In der gestrigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreibt Claudius Seidl fulminant und lesenswert über das Wesen des Reportage-Preises, das sich ständig selbst bedient. Weil der Text leider online nicht verfügbar ist, möchte ich zumindest den wunderbaren Schluss hier zitieren:
Und genau das ist das Problem mit den Preisträgerreportagen: Sie wollen Literatur sein, sie weigern sich aber, das Kleingedruckte zur Kenntnis zu nehmen. Keine Selbstreflexion, kein Bewusstsein davon, dass es jenseits der Sätze das Unsagbare geben könnte, jenseits der Psychologie das Unerklärte. Eine Geschichte hat einen Anfang, und am Schluss laufen alle Stränge des Erzählens wieder zusammen. Ein Abgrund heißt Abgrund, und wer hineinschaut, sieht, wie das Schicksal mit Playmobilfiguren spielt. So ein Preisträgertext geht mit dem Serienkiller zum Kaffeetrinken und mit der Kanzlerin zum Schwimmen im See, und Gedanken, die man lesen kann, tun keinem richtig weh. Aber weh tun soll es auch nicht. Hauptsache, die Leser gucken betroffen. Oder wenigstens die Juroren von Reportagepreisen.
1 Kommentar
[…] er aussieht und um darüber zu schreiben. (Das Altpapier verweist in diesem Zusammenhang auf den Text von Claudius Seidl, der vor ziemlich genau einem Jahr über Journalistenpreise geschrieben […]