Kennen Sie Morning Brew? Haben Sie schon mal von TheSkimm gehört oder von Next Draft? Dabei handelt es sich um Angebote, die man als „newsletter first media“ beschreiben kann. Als Medien also, die Newsletter nicht als verlängerte Marketingmaßnahme oder Digitalverstärker für einen davon unabhängigen Inhalt ansehen, sondern im Newsletter selbst das Angebot erkennen, das das Interesse von Nutzer*innen erfüllt.
Im digital interessierten Deutschland ist das irrigerweise Blog genannte Socialmediawatchblog von Martin, Simon und Tilman das bekannteste Beispiel für diese Form von Newsletter-Medien. Für ihren unbedingt empfehlenswerten Newsletter (hier bestellen) haben sie den hierzulande populären Namen Briefing gewählt. Auch das Handelsblatt (Morningbriefing), der Tagesspiegel (Entscheider-Briefing) mein ehemaliger Kollege Nikolaus Röttger (Ki-Briefing), die Mediapioneers (Tech-Briefing etc.) und viele andere nutzen den vom englischen „Einsatzbesprechung“ abgeleiteten Begriff, der kurze, handlungsbezogene Informationen versprechen soll (Foto: unsplash).
„Email hat die klassische Zeitung ersetzt und aus einer digitalen Perspektive ist Email die neue Homepage“, zitiert digiday den Marketingchef von Morning Brew, der in dem Text den staunenden Medienmachern erklärt, dass man allein mit Newslettern Geld verdienen kann. „Newsletter“, so sein Fazit, „sind der Schlüssel um ein Verhältnis zu den Leser*innen aufzubauen.“
Anlass für den Bericht waren aktuelle Zahlen, die die Marketing-Abteilung von Morning Brew veröffentlicht hatte: deren täglicher Wirtschaftsnewsletter, der aus einer Uni-Idee zweier Studenten entstand, kommt aktuell auf 1,8 Millionen Abonennten und will bis zum Ende des ersten Quartals 2020 auf zwei Millionen Abonennten kommen.
Das ist erstaunlich und taugt zu Meldungen über den Erfolg des eigentlich ja alten Mediums „Email“ (mein Liebesbrief an die Technologie steht hier). Richtig spannend sind diese Zahlen aber erst, wenn man der Frage nachgeht: Wo kommen sie her?
Die Antwort auf diese Frage legt das grundlegene Missverständnis des Journalismus offen: Ich bin sozialisiert mit der Haltung „gute Geschichten finden ihre Leser“. Daraus leiten manche Kolleg*innen die Annahme ab, dass guter Journalismus sich einzig auf gute Geschichten konzentrieren müsse und dann schon Erfolg haben wird. Dass die Kunst, Leser*innen zu gewinnen und zu begeistern ebenfalls eine journalistische Aufgabe ist, gerät dabei manchmal etwas aus dem Blick.
„Natürlich ist der Inhalt super wichtig“, erklärt Annemarie Dooling, die bei Vox Media (und jetzt beim Wall Street Journal) für Enagement über Newsletter zuständig war, in diesem Interview. „Aber es gibt diesen riesigen Bereich mit Dinge, an die niemand im Unternehmen dachte, weil sie zu technisch oder marketinglastig sind.“
Wie die Macher*innen von Morning Brew das gemacht haben, kann man in diesem Medium-Post nachlesen. Dort beschreibt Tyler Denk, Produktchef von Morning Brew, wie sie mit Hilfe eines „Leser werben Leser“-Programms neue Abonent*innen gewonnen haben. In der Sprache des Web nennt man dieses Empfehlungs-System „Referral-Marketing“ und beschreibt damit die Möglichkeiten, über Links, die man persönlich zuordnen kann, diejenigen zu identifizieren und zu belohnen, die viele neue Leser*innen angeworben haben. Wer dabei besonders erfolgreich war, hat Produktvorteile zum Beispiel bei Dropbox bekommen, konnte aber vor allem einen zusätzlichen exklusiven Sonntags-Newsletter bestellen. Das Referreal-Programm ist ziemlich ausgefeilt, es zeigt aber vor allem: Newsletter sind nicht nur ein Kommunikationstool um mit Leser*innen in Kontakt zu bleiben, Newsletter können auch Leser*innen zu Werbenden für den Inhalt machen:
It’s helped turn readers into evangelists and evangelists into walking advertisements. It’s the ultimate 1 + 1 = 3 scenario that makes all of our acquisition channels X times more effective.
Ich finde das aus einer journalistischen Perspektive äußerst spannend. Es öffnet den Blick auf die Möglichkeiten, die sich abseits des Inhalts ergeben, wenn man das vernetzte Umfeld des Internet ernst nimmt. Das möchte ich künftig etwas genauer verfolgen, deshalb habe ich die Domain briefingbriefing.de reserviert und sammle dort interessante Links und Interviews zum Thema Newsletter und Emails im journalistischen Kontext. Neuigkeiten auf der Seite verlinke ich hier im Blog – aber natürlich vor allem in meinem eigenen monatlichen Digitale-Notizen-Briefing.