Wer es vor 40 Jahren nicht wahrhaben wollte, als Hans Magnus Enzensberger das Fernsehen als „Nullmedium“ verächtlich machte, muss ihm heute zähneknirschend zustimmen. Auf die Realität des Gegenwartsfernsehens trifft die These zu. Eine Industrialisierung des Denkens scheint die Verhältnisse zu prägen und die Macht in den Köpfen der Macher übernommen zu haben. Der kulturlose universale Verblödungszusammenhang namens Fernsehen scheint tatsächlich zum entscheidenden Instrument eines Selbstzerstörungsprozesses der westlichen Demokratien zu werden, und mit dem Abendprogramm geht auch das Abendland endgültig unter.
Rüdiger Suchsland schreibt bei Telepolis über Die Industrialisierung des Denkens. Dort entdeckt, der Verweis auf Mathias Greffraths Essay in der Le Monde diplomatique, in dem er fordert: „Macht’s wie die BBC“
Die öffentlichen Medienanstalten folgten – ohne Not – in den letzten Jahrzehnten dem Hang zur Selbstkommerzialisierung und zum Boulevard. Unter dem Druck der Politikerquoten in den Rundfunkräten und der Einschaltquoten in den Köpfen der Programmdirektoren, begleitet vom ängstlichen Schweigen und stillen Leiden der Redakteure, erlitten die stolzen Kulturinstitutionen einen Banalisierungsschub nach dem anderen, bis hinunter auf das Niveau von Sat.1, RTL. Die Intendanten ließen zu, dass statt der politischen Magazine, die einst die politische Agenda setzten oder beeinflussten, Frau Christiansen vier Legislaturperioden lang die Propaganda der „Initiative soziale Marktwirtschaft“ transportierte.
Genug des Jammerns. Was nun? Die Fundamente stehen ja noch. Eine konsequente Entkommerzialisierung der öffentlichen Anstalten, ein Verzicht auf Werbung, eingetauscht gegen den Verzicht der Medienunternehmen auf ihre Attacken gegen die „Zwangsgebühren“; eine verfassungsrechtliche Garantie für das öffentliche Rundfunksystem, gegebenenfalls dessen Steuerfinanzierung; vor allem aber eine Entfernung der Parteien aus den Aufsichtsgremien – dies alles und noch mehr könnte das „professionelle Selbstverständnis eines unabhängigen Journalismus“ wieder entfesseln.