Gestern wurde in Berlin der Deutsche Reporterpreis verliehen (im Tagesspiegel gibt es einen Bericht von der Jurysitzung). Leider finde ich den Link nicht, mit dem man auf den Text mit allen Preisträgern verlinken kann deshalb hier lediglich der Hinweis auf die Startseite vom Reporter-Forum, wo man heute ganz oben nachlesen kann, wer in diesem Jahr von der „Initiative für besseren Journalismus“ ausgezeichnet wurde. Ich gratuliere den Preisträgern und bin noch einen kurzen Nachtrag zu dem Blogpost aus dem November schuldig, auf den Jurymitglied Matthias Eberl hier reagiert hatte. Es ging um die Frage, was eigentlich im Bereich „Webreportage“ ausgezeichnet werde.
Dabei hat sich ein Missverständnis eingeschlichen: Mir geht es keineswegs um Interaktivität. Das ist nur ein zum Schlagwort verkommener Aspekt der Digitalität. Mir geht es um die Frage: Wie verändert sich der Text, wenn er digitalisiert wird? Eine gute Webreportage muss hier Antworten geben. Der Ansatz, den ich mit „Eine neue Version ist verfügbar“ verfolge (was ein Buch, keine Reportage ist), bezieht sich auf die Veränderungen des Aggregatzustands von digitalisierten Inhalten. Ich glaube, dass sie flüssig werden, dass der Entstehungsprozess dadurch darstellbar wird, dass Versionen dem reinen Endprodukt ergänzt werden. Das bleibt bewusst so unkonkret, weil ich in der Tat noch nicht weiß, wie man es umsetzen soll. Ich werde das Experiment ab 20. Dezember unternehmen.
Als ich den Eintrag nach der Vorjury-Arbeit verfasste, ging es mir vor allem darum: das Ausprobieren in den Blick zu nehmen. Beim Reporter-Preis wird das eher in den Kategorien Grand Prix und Freier Reporter ausgezeichnet – aber eben eher analog als digital.
Warum nicht in der Web-Reportage? Das Web macht mehr möglich als das Papier. Es lässt anders als früher angenommen durchaus Raum für Ruhe (wie die wachsenden Zahl der so genannten Longread-Anbieter auch in Deutschland zeigt), es schafft aber auch weitere Ebenen. Diese Ebenen zu ergründen, sollte Bestandteil des Web in Webreportage sein. Es können Bild- oder Ton-Ebenen sein, die hier ergänzt werden, es können aber auch digitale Ebenen sein. Diese zu ergründen, ist eine große journalistische Herausforderung – der wir uns annehmen können und sollten. Dazu braucht es keine Redaktionen und Verleger, es braucht dazu in erster Linie guter Ideen.
Dirk Kurbjuweit, der dieses Jahr zu den Preisträgern zählt, hat in einem kurzen Interview mit Journalistenschülern vor kurzem genau diesen Aspekt auf den Punkt gebracht. Auf die Frage nach einem Ratschlag für die Zukunft sagt er:
Ich würde dem journalistischen Nachwuchs in allen Zeiten erstmal Größenwahn raten. Ich glaube, dass das eine gute Eigenschaft ist, auch wenn das jetzt erstmal doof klingt. Kein kleines Denken. (…) Dass es auf jeden Fall gut ist, seine Vorbilder und seine Chefs immer wieder zu hinterfragen und zu sagen: ,Ich kann das vielleicht auch besser.‘ Das heißt, dass man auch mit sich selbst auf eine sehr anstrengende Art umgehen muss. Sich nie begnügen. Das meine ich eben auch mit Größenwahn: Nicht sagen: ,Naja, das reicht mir jetzt erstmal. Jetzt habe ich das‘. Sondern sagen: ,Nein, ich möchte ganz ganz viel.‘
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Das ist ein guter Punkt. Schon im vergangenen Jahr wurde auf der Reporter-Preisverleihung darüber diskutiert, ob die eher statischen Geschichten in Audioslideshow-Form allein als Web-Reportage gelten können und sollten. Der New York Times-Kollege Brian Stelter beispielsweise hatte in 2011 auf Twitter eine fortgesetzte, liveschriftliche Reportage aus und über die von einem Hurrikan verwüstete Stadt Joplin publiziert – und damit der Kategorie „Web-Reportage“ ein neues Muster hinzugefügt. Mehr dazu hier: http://www.texten-fuers-web.de/2011/03/formenwirrwarr-die-web-reportage-was-bin-ich-und-wenn-ja-wie-viele/