Unterwegs nach Kairo

Der Kollege Richard Gutjahr ist gerade in Kairo. Er berichtet darüber in seinem Blog und über zahlreiche Echtzeit-Medien – wie Twitter und Ustream, über die er Bilder aus der Stadt liefert, die derzeit die Hauptmeldungen der Nachrichten beherrscht.

http://twitpic.com/3v3ska

Richard ist Journalist und er folgt mit seiner Kairo-Reise einem urjournalistischen Reflex: Er will dort sein, wo gerade etwas passiert. Und in Zeiten digitaler Kommunikation ist das Dortsein auch verbunden mit dem Berichten darüber. Dass man dies als Selbstdarstellung kritisiert, speist sich aus der gleichen Haltung heraus, die das Anlegen eines Facebook-Accounts für Selbstdarstellung hält. Wer so denkt, hinkt der Art, in der Richard das Netz nutzt, mit großem Abstand hinterher. Richard setzt das Netz als journalistisches Medium ein, er fährt dorthin, wo etwas passiert und er berichtet darüber – auf allen Kanälen, die ihm zur Verfügung stehen. Ich halte das zu für einen sehr spannenden, sehr zeitgemäßgen Umgang mit dem Medium und hoffe, dass Richard die Kairo-Reise unbeschadet übersteht!

Wer das auch so sieht, kann ihn zum Beispiel auf Flattr unterstützen.

Disclosure: Seit einem Interview Ende vergangenen Jahres bin ich mit Richard persönlich bekannt. Wir schreiben beide an Christian Jakubetz‘ Journalistenbuch mit.

4 Kommentare

So, nach ein paar Tagen hab ich mir auch eine Meinung gebildet: Ich finde das gut, trotz Selbstmarketing und der Tatsache, dass RG ja nun auch für die ARD da berichtet, also das mit dem Lonely Blogger nicht so ganz stimmt.

Das Interessante ist, dass er zwar als Journalist* dahin geht, aber überhaupt keine Kontakte in die Region hat und man in den ersten Beiträgen merkt, dass ein bisschen Hintergrundwissen fehlt. Er ist also somit nicht der Jens Weinreich, der von irgendwelchen IOC-Kongressen berichtet, sondern vielmehr theoretisch jedermann, der einfach mal dahin reist um zu sehen und darüber zu berichten, was passiert (und entsprechend mit den Werkzeugen Text, Foto, Video, Social Media umgehen kann).

Manchmal sind ganz gute Beobachtungen dabei, manchmal bleibt es auf der Oberfläche, aber die Transparenz der Arbeitsweise, das „Ich“ im Text macht das Ganze persönlich und deshalb reizvoll.

Was Journalisten daraus lernen können? Dass Formate jenseits der klassischen Reportage verdammt spannend sein können, dass man sich nicht hinter der vermeintlich objektiven Schreibweise verstecken muss. Dass fehlende echte oder vorgetäuschte Expertise kein Problem ist, wenn man sich als Person hinter dem Text zeigt.

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das (im Netz) funktioniert, wenn der entsprechende Autor vorher ein weißes Blatt Papier ist und keine „virtuelle Verbindung/Bekanntschaft“ zwischen ihm und seinem Ziel“publikum“ besteht. Umgekehrt ist gerade eine solche Situation die Möglichkeit, genau diese Beziehung herzustellen, indem ich jemanden an meinem Erlebten teilhaben lasse und in Austausch trete.

Diese „Ambient Awareness“ in ungewissen Situationen ist für den Reisenden übrigens eine ziemlich überwältigende Erfahrung, das habe ich in wahrscheinlich kleinerem Maße bei meiner Bloggertramp-Reise festgestellt.

Langer Rede, kurzer Sinn: Auch wenn ich nicht unbedingt ein Gutjahr-Fan war und bin, habe ich 15 Euro gespendet und zolle meinen Respekt vor der Aktion. Schade finde ich, dass daraus vereinzelt wieder ein New Media vs. Old Media gemacht wird. Darum geht es nicht, ich möchte zum Beispiel nicht auf die Analysen bestimmter Autoren verzichten, die wirklich seit Jahren drin im Thema sind.

*meine Definition: Journalist ist jemand, der eine journalistische Tätigkeit ausführt, nicht unbedingt jemand, der damit Geld verdient.

Disclaimer: Ich kenne Richard Gutjahr sehr flüchtig.

Kleines Update: RG ist offenbar raus aus Ägypten, was mein Lob von oben ein bisschen relativiert. Ich hatte nirgendwo gelesen, dass das nur eine Dreitagesaktion sein würde – also letztendlich eine Form von Helikopterkrisenjournalismus.

Die Bewertung Helikopterjournalismus kann ich nicht ganz teilen. Meine Interpretation ist, dass Gutjahr gemerkt hat, dass der Reifen zu heiss wird. Er hat in Hammelburg gut aufgepasst. Und natürlich zeigt sich daran die Grenze eines Reporter-Journalismus, bei dem der Reporter nicht über ein lokales Netzwerk verfügt.

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