Die Deutsche Journalistenschule feiert heute in Anwesenheit von Angela Merkel Geburtstag : 60 Jahre DJS im Münchner Prinzregententheater. Herzlichen Glückwunsch!. In der heutigen SZ schreibt Holger Gerz einen schönen Geburtstagstext für und über die DJS und ddp meldet:
Seit der Gründung 1949 wurden Schulangaben zufolge an der DJS mehr als 2000 junge Menschen zu Redakteuren ausgebildet. Damit sei die DJS ¬´die älteste und renommierteste Journalistenschule der Bundesrepublik¬ª.
Es ist davon auszugehen, dass einige der 2000 zum Teil nicht mehr ausschließlich jungen Menschen heute ins Prinzregententheater kommen werden.
Vor zehn Jahren wurde der 50ste Geburtstag in der Reithalle in München gefeiert. Das ist lange her und meinem Eindruck nach hat sich seitdem mehr als nur der Festort verändert: Ich glaube, der Beruf, den man an der Journalistenschule erlernen kann, steckt in einem grundlegenden Wandel. Mir sind jedenfalls fünf subjektive und empirisch unfundierte Punkte aufgefallen, die beim letzten Fest noch anders waren:
1. Wirtschaft first! Die ökonomischen Bedingungen treten in den Vordergrund
Nein, ich spreche nicht von der Krise, weder von der aktuellen Finanz- noch von der (seit zehn Jahren dauernden?) Medienkrise. Ich spreche davon, dass Journalisten heute sehr viel selbstverständlicher als noch vor zehn Jahren die ökonomischen Bedingungen ihres Tuns bedenken (müssen). Das liegt an den strukturellen wie konjunkturellen Veränderungen der Branche, es hat eine Ursache aber auch in einer veränderten gesellschaftlichen Einstellung zum Wirtschaften. Die Haltung mit der Russell Crowe als Reporter Cal McAffrey in State of Play mehr Wert auf die ausrecherchierte Geschichte als auf den auflagenträchtigen Aufmacher legt, wird nicht nur in diesem aktuellen Journalisten-Film als kauzig und unmodern dargestellt.
2. Zielgruppe: Die Einschaltquote ist wichtiger geworden
Auch wenn Ingeborg Münzing, Gerd Thumser und Ulrich Frodien in dem lesenswerten Interview auf der DJS-Website über ihre Zeit in der ersten Lehrredaktion des damaligen Werner-Friedmann-Instituts sagen, sie seien ein „richtiger Zeitungskindergarten“ gewesen: An der DJS werden nicht nur Zeitungsjournalisten ausgebildet. Aber auch für die ist in den letzten zehn Jahren – so mein Eindruck – die aus dem TV-Bereich bekannte Quote relevanter geworden. Auch im Radio- oder Online-Journalismus ist es bedeutsamer, wer und wieviele Menschen das lesen, hören, anschauen, was der Journalist produziert. Man hat manchmal den Eindruck, Journalisten wüssten besser über Zielgruppen als über Rechtschreibung Bescheid.
3. Internet: Der Rezipient wird aktiv
Natürlich gewinnt die Quote (2.) vor allem aus finanziellen Aspekten (1.) an Bedeutung. Sie wird aber auch als Feedback-Kanal relevanter. Der einzelne Leser, Zuschauer und Hörer ist nämlich aktiver geworden in den vergangenen zehn Jahren. Natürlich nicht jeder, aber die, die sich reagierend zu Wort melden, haben dafür (im Netz) eine eigene Öffentlichkeit – und damit wachsende Bedeutung. Deshalb wird sich das Bild, das in vielen Redaktionen vom Leser existiert, verändern (müssen). Das Internet macht aus der reinen Publikation, die der Journalismus vor zehn Jahren war, auch eine Kommunikation zwischen Journalist und Leser. Wir können diesen Prozess gerade quasi live beobachten.
4. Do it yourself: Die Anforderungen an den Journalisten ändert sich
In dem bereits erwähnten Interview über die erste Lehrredaktion vor 60 Jahren wird auch über den damaligen Lehrplan gesprochen: „Es gab ein Gerippe aus Englisch und Maschine und Steno. Das war damals noch wichtig.“ Das ist historisch interessant, aber auch bedeutsam für heute: Es zeigt, dass sich das (technische) Anforderungsprofil an den Journalisten wandelt – und zwar sehr viel schneller als früher. Vor zehn Jahren war es eine absolute Ausnahme, dass ein Journalist (mittels Photoshop oder vergleichbarer Software) ein Foto zuschneiden konnte – und vor allem musste. In heutigen (Online-)Redaktionen ist das eine selbstverständliche Anforderung, von Video- oder Audioschnitt will ich hier gar nicht sprechen. Und natürlich ist auch der im Netz notwendige Dialog mit den Lesern eine Fähigkeit, die ein Journalist erlernen muss.
5. Wahrnehmung: Das (Selbst-)Bild verändert sich
In dem erwähnten Gespräch wird auch die Rolle der zum Teil sehr berühmten Dozenten („Das waren Halbgötter damals!“) in der ersten Lehrredaktion thematisiert. Da stellt sich die Frage: Ist das heute auch noch so? Werden Dozenten an der DJS, also aktive Journalisten, als Halbgötter angesehen? Sehen sie sich selber so? Kommen sie damit durch?
Ich glaube, dass sich das (Selbst-)Bild des Journalisten in den vergangenen zehn Jahren sehr verändert hat. Das liegt an dem in den obigen Punkten genannten Wandel und ist vermutlich die zusammenfassende grundlegende Veränderungen: Journalist zu sein, ist heute in vielen Bereichen etwas anderes als vor zehn Jahren.
Wie man wohl im Jahr 2019 darüber denkt?
P.S.: Habe ich es eigentlich erwähnt? Ich habe diese Schule auch besucht. Und zwar sehr gerne. (Disclosure)
Update: In der Frankfurter Rundschau schreibt der Kollege Moritz Baumstieger ebenfalls über 60 Jahre DJS.
5 Kommentare
Kluger Text. Ich habe übrigens auch diese Schule besucht und werde heute nachmittag im Prinzregententheater sein. Wer twittern möchte: Ich schlage den Hashtag #djs60 vor.
Frank Kemper (26. Lehrredaktion)
[…] Digitale Notizen ¬ª Blog Archive ¬ª 60 Jahre DJS: Wie sich der Beruf verändert ‚Ķ […]
[…] hat einen tollen Abschiedsfilm für und mit Tina Giersberg gedreht, die nach 36 1/2 Jahren die Deutsche Journalistenschule verlässt. Nicht nur, weil ich selber in dieser Zeit die DJS besucht habe, ein schöner Gruß, dem […]
[…] schreibt Marie Benilde unter dem Titel The End of Newspapers? über die Medienkrise und den sich ändernden Journalistenberuf – den sie mit den Stahlarbeitern der 1970er Jahre vergleicht They are destined to disappear, […]
[…] Juni: 60 Jahre DJS – wie sich der Beruf verändert […]