Aber schneller: Das Phänomen #spedupsounds

Es muss schneller gehen.

Deshalb überspringt dieser Text den Teil, in dem es um die allgemeine Beschleunigung des menschlichen Lebens geht.

Dieser Text beginnt direkt mit dem, was von Tiktok aus gerade die Popmusik beeinflusst: beschleunigte Versionen klassischer Popsongs. Diese so genannten #spedupsounds helfen nicht nur älteren Songs zu einem Revival, auch neue Lieder nutzten die Beschleunigung. „Häufig wird am Beat geschraubt, und die Songs werden deutlich schneller gemacht“, beschreibt DLF Nova, das Phänomen, das LeMond wie folgt zusammenfasst: „Imagine your favorite song with high-pitched vocals and a tempo that blithely exceeds 150 BPM (beats per minute).“ (Symbolbild: Unsplash)

Das Phänomen selbst ist nicht neu. Die Sample-Kultur kennt die Beschleunigung und das Pitchen von Gesangsparts z.B. unter dem Begriff Chipmunk Soul. Und die norwegischen DJs Thomas Nilsen und Steffen Ojala Soderholm machten mit so genanntem „nightcore“ schon zu Beginn der Nullerjahre von sich reden (Hier das Porträt aus aktuellem Anlass aus der New York Times).

Neu ist hingegen das flächendeckende Auftreten der Beschleunigung. #spedupsounds sind gerade überall – nicht nur auf den For you page von Tiktok. Auf Youtube sind zahlreiche Playlist mit dem Hashtag zu finden und die Spotify-Playlist “sped up nightcore” bringt es auf durchschnittlich zwei Millionen tägliche Zuhörer:innen. Eine Analyse auf Billboard.com kommt deshalb zu dem Schluss: „This style now appears to be on the verge of reaching a new level of mainstream exposure“ – oder um es mit ener Frage aus dem Guardian Guardian auf den Punkt zu bringen:

„Who wants to listen to a song that sounds like a triple shot of espresso?
Perhaps more people than you might think.“

Aber was ist der Grund für die Popularität der Tempo-Songs? Kaum ein Beitrag nimmt sich für diese Frage Zeit, sondern springt direkt zu dem Teil mit der allgemeinen Beschleunigung des menschlichen Lebens. Dabei muss man zunächst festhalten, dass der Hauptgrund in der leichten Verfügbarkeit von Software wie Capcut oder Audacity liegt, die die Beschleunigung für jede und jeden ermöglicht. Dazu passt das verbreitete Phänomen z.B. Podcasts in doppelter oder zumindest erhöhter Geschwindigkeit abzuspielen. Dieser Demokratisierungsteil der Popkultur trifft hier auch die Musik selbst – und macht sie schneller: „“Fans are empowered to become part of the music-making process, which often manifests in creators experimenting with their own sped-up or slowed-down versions”, zitiert der NME Clive Rozario, Global Music Program Manager von TikTok.


Dieser Text stammt aus dem monatlichen Newsletter Digitale Notizen, in dem ich mich immer wieder mit der Remix- und Referenzkultur des Digitalen befasse.


Dass die sehr kurzen Clips auf Tiktok und die damit verbundene Fokussierung auf die allerersten Sekunden diesen Trend noch verstärken, bleibt dabei unbenommen. refinery29.com analysiert: „We want novelty, not subtlety. In an era of sensory onslaught, sped-up songs seem to be music’s answer to maximalist shifts in our culture, and to waning attention spans online.“ Insofern passt der Trend zu #spedupsounds zum Phänomen der Interpolation, von dem ich unlängst schrieb. Die Beschleunigung ist somit also vielleicht nur eine besonders schnelle Form der Kopie – und damit der digitalen Mashup-Kultur.

Fünf #spedupsounds- Beispiele:

5. Mayberg: Endlos_demo

4. Abba: „Angleeyes“ (Spedup)

3. Tears for Fears: Everybody wants to rule the world

2. A-HA: Take on Me

1. Ski Aggu: „Party Sahne“ (aber schneller)