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Dieser Text ist Teil der Juni-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, den man hier kostenlos abonnieren kann. Mehr über Netzkultur gibt es in meinem Buch Meme – Muster digitaler Kommunikation.
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Im Lichte der aktuellen Web-Geschehnisse um die CDU muss man sagen: Der christlichen Rockmusik ist viel Unrecht getan worden. All die Witze und all der Widerspruch gegen den Versuch, Jugendkultur im Sinne einer christlichen Botschaft zu okkupieren, laufen ins Leere im Vergleich zu dem, was die CDU verdient hätte für ihren traurigen Versuch, sich an die Netzkultur anzubiedern.
Die Rede ist von der Seite @connectcdu, die auf Instagram versucht, das „Vater unser“ mit Stromgitarren zu vertonen, die CDU digital wirken zu lassen. Dabei handelt es sich – Sascha Lobo hat gerade auf der republica nochmal dran erinnert – um die Partei, die seit Jahren die Bundesregierung stellt und Digitalisierung seitdem einzig als (leeres) Versprechen versteht. Sascha sagte deshalb den schönen und merkenswerten Satz:
Es kann nach Corona nicht mehr sein, dass die Digital-Aversen, die Selbstzufriedenen, die mit dem kohlenstofflichen Status-Quo Zufriedenen dieses Land und alle kommenden Generationen aufhalten.
Dabei geht es hier gar nicht in erster Linie um die verfehlte Digitalpolitik der CDU und es geht auch nicht um den Datenskandal, der an der gleichnamigen App hängt. Es geht hier einzig und allein um den Umgang der CDU mit Memes.
Ich mag die Netzkultur, ich liebe Memes. Seit Jahren schreibe ich drüber und ich freue mich, wenn Menschen und Organisationen sie für sich entdecken – sogar wenn ich mit diesen Menschen und Organisationen nicht einer Meinung bin.
Deshalb freue ich mich, wenn die CDU die Welt der Memes entdecken will. Ich hänge nicht der Theorie von Internet-Verstehern und -Erklärern an (bewusst nicht gegendert), die das Digitale als eine Art Geheimwissen betrachten und Digital-Distinktion als Mittel der Abgrenzung brauchen. Netzkultur ist umarmend und hält sogar einen unverschämten Elon Musk aus.
Was aber schwer erträglich ist, sind Texttafeln, auf denen steht, dass ihr Verfasser sich tüchtig toll findet. Selbst wenn sie die gleiche Photoshop-Vorlage nutzen wie Beiträge der Netzkultur: Das sind keine Memes. Das ist peinlich.
Neben dem Offensichtlichsten – dem Fehlen der memetischen Verbreitung – lassen diese Beiträge den grundlegenden Zauber von Memes vermissen: die Bereitschaft zur Selbstironie. Ohne die Fähigkeit, sich zu reflektieren und womöglich über sich selbst zu lachen, wird ein Anschluss an gegenwärtige Netzkultur misslingen. Natürlich kann man auch einfach unreflektiert auf Image-Macros schreiben, dass man sich geil findet. Das ist dann aber keine Netzkultur des 21. Jahrhunderts, sondern Mackertum des 20. Jahrhunderts. Ein ironischer Umgang mit vermeintlichen eigenen Schwächen ist schon nötig, um die Sprache, den Dialekt des Digitalen zu sprechen. (die falsche Verwendung der 1 in diesem Söder-Posting hier ist für mich übrigens schwerer zu ertragen als alle Gendersterne für Friedrich Merz)
Es folgen nun die gängigsten Floskeln aus dem langsamsten Zug für digitale Kommunikation, an den man bei CDU-Connect aber offenbar trotzdem keinen Anschluss gefunden hat: Zeige dich authentisch, humorvoll und vielleicht sogar verletzlich. Lasse einen Blick hinter die Kulissen zu, sei nahbar und reflektiert.
CDU-Connect ist deshalb so ärgerlich, weil es innerhalb der Union durchaus Menschen gibt, die das verstanden haben: Norbert Röttgen hat mit seinem Ansteckringlicht im Wahlkampf um den CDU-Vorsitz einen Weg ausgeleuchtet, der genau auf diese Bereichtschaft zu Reflektion gesetzt hat. Dieses Licht bringt bei CDU-Connect aber keine Erkenntnis, es bleibt stockfinster im Rausch der Selbstbesoffenheit.
Ja, es gibt viel schlimmeren Missbrauch an der weltoffenen, verbindenden Meme-Kultur. Und ja, man kann diesen Instagram-Kanal schlicht als das betrachten, was er ist: traurig und ein wenig bemitleidenswert. Es tritt hier aber etwas anderes zu Tage: die fehlende Bereitschaft eines offiziellen CDU-Kanals, sich auf die Gepflogenheiten der digitalen Welt einzulassen. Dieses digitale Brauchtum ist nicht ausschließend, es lädt ein zur Teilhabe und dennoch wird es hier missachtet. Deshalb fällt es schwer in diesem Auftritt etwas anderes zu erkennen, als die enttäuschte Frage: Wenn die nicht mal ein paar Memes verstehen, wie wollen die Deutschland digital zukunftsfähig machen?
Norbert Röttgen formulierte das übrigens so: „Es ist nicht egal, wie wir uns selber präsentieren. Im Gegenteil: Die Menschen schauen sich an, wer macht da mit und kann ich mich mit denen identifizieren?“
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Dieser Text stammt aus dem monatlichen Newsletter Digitale Notizen, in dem ich mich immer wieder mit den Mustern digitaler Kommunikation befasse – zum Beispiel: „Fünf Gründe, sich jetzt ernsthaft mit Memen zu befassen“ (Oktober 2020), „Die Nazis werden uns das Internet wegnehmen“ (März 2020), „Die Empörung der anderen“ (Februar 2020), „Freiheit zum Andersdenken“ (Juli 2017), „Streiten lernen – für ein besseres Internet“ (Januar 2017). Hier kann man ihn kostenlos abonnieren. Und hier kann man das Buch Meme – Muster digitaler Kommunikation bestellen.
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