Eigentlich sollte ich an dieser Stelle eh viel häufiger auf gute und spannende Texte auf jetzt.de hinweisen. Am Vorabend der Freiheit statt Angst-Demo habe ich dort zum Beispiel über Deutschlands erste Internetwahl geschrieben. Weniger nachdenklich und nicht minder lebensnah kommt einer von 100 Sätzen daher, auf den ich hier – mit leichter Verspätung – noch verweisen muss: Er stammt aus der aktuellen Hauptsatz-Kolumne und spielt in einem Wartezimmer:
Der Herr Doktor ist, von Nahem besehen, noch viel unendlicher und gütiger und gebräunter, als ich dachte. Ich sage: ‚ÄûIch wollte mich mal durchchecken lassen.‚Äú Er nickt. Nichts passiert. Ich sage ‚ÄûGenau.‚Äú Er sieht mich gütig aber auch doktormäßig an. Dann fragt er sitzend: ‚ÄûÜben Sie eine vorwiegend sitzende Tätigkeit aus?‚Äú ‚ÄûJa‚Äú. Daraufhin nickt er vielsagend und seufzt, aber noch nicht so, dass ich mir Sorgen machen muss. Es ist eher ein Seufzen wie ein erhobener Zeigefinger. Dann muss ich mich im Profil vor ihn hinstellen, dann tief einatmen, dann sagen, ob mir sonst was wehtut. Nö. Er schreibt in meine Akte und steht auf. ‚ÄûPassen Sie auf ihren Rücken auf, machen Sie Ausgleichssport! Was sind Sie von Beruf?‚Äú Beruf, alles so altmodisch, herrlich! ‚ÄûJournalist.‚Äú Er sieht eine Spur sorgenvoller aus. ‚ÄûPassen Sie auf Ihre Leber auf.‚Äú Ich nicke, die Leber krampft leise.