Instant-Memes, Rambo Zambo, die Tasse Kaffee, falsche Synchronisierung (Netzkulturcharts Februar 2025)

Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletter

Auf Tiktok reposte ich übrigens Clips, die mir besonders auf- oder gefallen.
Auf Instagram komMEMEtiere ich dann und wann Aktuelles – und erzähle Hintergründe zu Memes.


Platz 1: Instant-Memefizierung

Das hier ist ein Foto aus dem Konrad-Adenauer-Haus. In der CDU-Zentrale in Berlin trafen sich die Spitzen von CDU und CSU zu ersten Sondierungsgesprächen nach der Bundestagswahl. Das Bild, das anschließend in den sozialen Medien geteilt wurde, ist das jüngste Beispiel für das Phänomen der Instant-Memefizierung. Ein vergleichbarer Prozess war bei der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump zu beobachten als Bilder z.B. von Mark Zuckerberg sofort als Meme-Vorlage genutzt wurden.

Bei der Instant-Memefizierung werden Bilder quasi in Echtzeit aus ihrem Ursprungskontext gerissen und durch object labeling in neue Zusammenhänge gestellt. Ihren Reiz ziehen diese Blitz-Memes aus der Tatsache, dass alle wissen, dass diese Motive gerade erst entstanden sind, aber sofort schon in den Status eines Memes gehoben werden. Wie bei dem Foto der Unions-Politiker (nicht gegendert!) wird durch diesen Vorgang deutlich gemacht: das Motiv zeigt ein so grundlegendes Muster, dass es sofort als Meme genutzt werden kann.

Platz 2: Glööckler gegen Rechts

Für mich ist der klare Gewinner der Bundestagswahl-Netzkultur ist der Account Gloeckler Gegen Rechts, der das Phänomen der Gegenschnitt-Videos (die in Deutschland Matthias Regner bekannt gemacht hat) auf die nächste Ebene gehoben hat: Hier kommentiert Harald Glööckler Politiker:innen – und das ist sehr lustig.

Auf Tiktok und auf Instagram wird so eine bemerkenswerte Kommentar-Ebene eingezogen – wenn z.B. Alice Weidel, Friedrich Merz oder Markus Söder Thesen verbreiten und der Stilkritiker Harald Glööckler seine Kritik aus der Sendung „My Style Rocks“ plötzlich nicht auf das Auftreten der Kandidatinnnen bezieht, sondern auf das politsche Programm der Politiker:innen.

Platz 3: Rambo Zambo vs. Die Tasse Kaffee

Aus Tiktok-Perspektive war die Bundestagswahl im Februar 2025 (hinter Glööckler gegen Rechts) ein Wettkampf zwischen den Ohrwürmern „Rambo Zambo“ von Stefan Raab und „Die Tasse Kaffee“ von Florian Silbereisen und Helene Fischer. Der scheidende Bundeskanzler Scholz postete jedenfalls kurz vor der Wahl eine Adaption des Silbereisen/Fischer-Songs mit der Zeile „Die Scheiß-AfD“. Ein paar Tage vor der Wahl hatte Stefan Raab auf der „Was ist Bubatz?“-Frage des vermutlich künftigen Kanzlers Merz einen Song gemacht, der dessen Rambo Zambo-Formulierung im Titel trägt.

Nicht nur in Bezug auf das Kanzleramt scheint die Kombination Raab/Merz erfolgreicher gewesen zu sein. Immerhin veröffentlichte der Entertainer den Song passend zu Merz-Wahlsieg.

Platz 4: Falsch synchronisierte Videos

Ein großer Teil der durch Tiktok verbreiteten Netzkultur basiert auf dem Phänomen der vermeintlichen oder tatsächlichen Synchronisation. Die Lippen zu einem fremden Sound zu bewegen, war der Ursprung der musical.ly-Clips, auf deren Schultern die heutigen Tiktok-Riesen stehen.

Der ohnehin empfehlenswerte Account Heinz Comedy zeigt hier ein Beispiel für ein aktuelles Phänomen, das mit der falschen Synchronisation spielt. Dabei sind stets Menschen zu sehen, die eine Frage beantworten – dann aber mit der exakt gegenteiligen Antwort synchronisiert werden.

Platz 5: Das POV-Fenster

Nicht mehr ganz frisch, aber noch immer lustig: Videos, die so tun als könnten die Menschen im Clip die Zuschauer:innen am Handy sehen. Dabei sind die Creator dabei zu sehen, wie sie quasi durch ein Fenster auf die Nutzer:innen schauen und diese wie im Zoo beobachten. Das Team der Tagesschau hat dies in diesem kleinen Instagram-Video gezeigt.

Es steckt nicht mehr dahinter, als die Zuschauer:innen in ihrer Nutzungssituation abzuholen und einzufangen. In Varianten zum Beispiel auch in dem „Das ist dein Zeichen zum xyz“-Clips zu beobachten, die ihre Zuschauerinnen und Zuschauer zum Sport machen oder zu anderen Aktivitäten animieren wollen.


🎵 Ungebetene Ohrwürmer* des Monats 🎵

1️⃣ Lola Young: Messy (weiterhin!)

2️⃣ Oimara: Wackelkontakt

3️⃣ Helene Fischer & Florian Silbereisen: Die Tasse Kaffee

4️⃣ Kendrick Lamar: Peeckaboo

5️⃣ Stefan Raab: Rambo Zambo (Was ist Bubatz?)

* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.


Besondere Erwähnung

Dass ein Song in bayerischer Mundart an der Spitze der deutschen Musikcharts steht, erfreut den Bayerischen Rundfunk sehr – im Instagram-Beitrag über den Song „Wackelkontakt“ von Oimara (Ben Hafner) wird jedenfalls erwähnt, dass dies vor ihm zuletzt die Spider Murpyh Gang schaffte. Nicht ganz unbeteiligt an diesem Erfolg: die Zeile „Wär ich ein Möbelstück, dann wär ich eine Lampe aus den Siebzigern“, die über Tiktok viral ging.

Der Auftritt von Kendrik Lamar in der Halbzeit-Show des Super Bowl muss in Bezug auf die Netzkultur im Februar erwähnt werden. Ebenso die Geschichte eines 11-jährigen Foodbloggers aus der New York Times.

Dass Levi (siehe Netzkulturcharts) sich auf englisch mit amerikanischen Accounts durch Dummheit anfreundet, war auch sehr lustig.

Außerdem war nicht nur die Wahl in Deutschland in den Schlagzeilen, sondern auch ein Wal in Chile: Er verschluckte den Kajak-Fahrer Adrián Simancas – und spuckte ihn kurz darauf wieder aus. Da Adrians Vater ein Video davon machte, wurden die Simancas eine virale Sensation des Monats.

Wer sich für Netzkultur interessiert, sollte im Februar natürlich auch den Erfolg der Petition „Save Social“ bemerkt haben.


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