Medium/Message – über öffentliches Schreiben

Ev Williams ist einer der Macher hinter dem Dienst Blogger gewesen und steckt auch hinter dem Erfolg von Twitter. Seit einer Weile arbeitet er nun an einem Angebot, das so eine Art Kombination aus Twitter und Blogger ist: Medium gilt als angesagte Publikationsplattform im Netz, weil sie sehr viel von dem macht, was technisch möglich ist.

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Medium setzt auf Annotationen, nutzt das Followerprinzip von Twitter und beschäftigt einen „director of content“, der im Hintergrund sehr gute Arbeit macht: Kate Lee war Literaturagentin bevor Ev Williams sie Ende 2012 zu Medium holte. Die Arbeit als „director of content“ bei einem Dienst wie Medium, der ja zunächst eine Publikationsplattform und kein inhaltiches Angebot ist, zählt zu den neuen Jobs im Feld des digitalen Publizierens (ähnlich wie der Job von Evan Hansen bei Medium). Vermutlich war Kate Lee daran beteiligt, als Beststeller-Autor Walter Isaacson im Winter 2013 erste Entwürfe seines neuen Buches auch auf Medium vorab veröffentlichte und ganz sicher steckt sie hinter dem Projekt, auf das mich Martin Lindner gestern abend hinwies: The Message.

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Immerhin hat Kate Lee den Ankündigungstext für diese neue kollaborative Redaktion Zusammenarbeit auf Medium geschrieben:

We’ve gathered twelve writers and thinkers across technology, media, culture, and academia to publish together in one place—and demonstrate that the sum is greater than its parts. Think of it as a modern version of Dorothy Parker’s Algonquin Round Table, whose members, in the course of conversing on a constant basis, collaborated on creative projects.

The Message ist nicht nur wegen der McLuhan-Anspielung ein äußerst interessantes Projekt. Das liegt zunächst an den Autorinnen und Autoren, die Kate Lee zur Teilnahme bewegen konnte: Mit Andy Baio, danah boyd, Craig Mod, Thinkup-Gründer Anil Dash und Zeynep Tufekci sind prominente Vertreter meines RSS-Readers dabei, die auf Medium nun etwas ausprobieren wollen, was ich als Grundbedingung des Digitalen verstehe: die Versionierung von Inhalten.

Zwölf Autorinnen und Autoren üben sich in „The Message“ im öffentlichen Schreiben, sie veröffentlichen Entwürfe, annotieren diese, bearbeiten, streichen und ergänzen – für jeden sichtbar. Das kann scheitern, langweilig sein oder nur begeisterungsfähige Menschen mit viel Zeit interessieren. Darum geht es aber zunächst gar nicht, es geht darum, dass die Message-Autoren ausprobieren, was geht: Sie stehen nicht mehr nur im Beckenrand, sie springen rein.

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Das allein finde ich erstaunlich. Ich bin gespannt, welche Erfahrungen sie dabei machen. Ich bin gespannt, wie der Dienst Medium sich auf Basis von The Message ändern wird. Werden bei einer solchen öffentlichen Art des Schreibens nicht Metadaten eine viel größere Rolle spielen müssen (ich muss jedes Mal sehr lange suchen bis ich überhaupt ein Datum bei einem Medium-Text finden)? Wie werden Annotationen und Kommentare filter- und strukturierbar, wenn mehr Menschen an einem solchen Experiment teilnehmen? Und vermutlich am bedeutsamsten: Wie verändert eine solche Redaktion Zusammenarbeit von Autoren unser Verständnis von Büchern, Publikationen und ganz generell: von Text?

[white_box]Mein Medium-Account läuft unter @dvg, meine Begeisterung für das Projekt begründet sich in meinem Buch zum Thema.[/white_box]