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Der Shruggie des Monats ist eine von meinem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“ inspirierte Rubrik meines monatlichen Newsletters (den man hier kostenlos bestellen kann). Darin beschreibe ich Personen, Ideen und Begebenheiten, die mir besonders passend zur Hauptfigur aus dem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“ erscheinen – dem ¯\_(ツ)_/¯.
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Die Frage wie eine Schule sein soll, um die besten Möglichkeiten für die Zukunft zu schaffen, ist in den vergangenen Monaten etwas überlagert worden. Wie eine Schule sein soll, damit sie die schlimmsten Möglichkeiten für die Gegenwart verhindert, bildet aktuell den Kern der Debatte um die beste Bildung in diesem Land. Wird es nach den Sommerferien wieder Wechselunterricht geben? ist nicht bloß eine Frage, sondern ein emotionales Schreckgespenst für alle an Bildung Beteiligten: Eltern, Kinder, Lehrer:innen – alle leiden an den wechselhaften Erfahrungen aus der Pandemie-Bekämpfung (Symbolbild: unsplash)
Bitte nie mehr sowas, scheint zum einzigen Leitmotiv für die häufig emotionalen Beiträge zum Thema geworden zu sein. Dabei wäre der historische Bruch, den die Pandemie bilden wird, doch eine große Chance die Perspektive umzudrehen und gestaltend zu fragen: Wie soll Schule sein, um die besten Möglichkeiten für die Zukunft zu schaffen?
Wer sich konstruktiv auf die Suche nach Antworten auf die Frage aus dieser Perspektive macht, landet bald bei Paul Reville, der als Bildungsforscher an der Harvard Universität arbeitet. Seit Jahren schon mahnt er Reformen am „one size fits all“-Bildungssystem an, das auch den Unterricht in Deutschland prägt. Aus dem Jahr 2017 stammt ein Gastbeitrag in der Washington Post, in dem Reville ein Bildungssytem fordert, das stärker an den individuellen Interessen und Fähigkeiten der Schüler:innen orientiert ist:
Es stellt sich heraus, dass ein Schulsystem nach dem Fabrikmodell des 20. Jahrhunderts einfach nicht den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügt, um alle Kinder auf hochqualifizierte, wissensintensive Berufe vorzubereiten.
Deshalb sei es wichtig, personalisierten Unterricht anzubieten, der mehr auf die einzelnen Schüler:innen eingehe – und nicht mehr zwingend immer im Klassenverbund und im Schulgebäude stattfindet. Auch Einzelgespräche über Videokonferenzen seien ein notwendiger Bestandteil dessen, was Reville im Gegensatz zum Fabrikmodell das medizinische Modell nennt – also ein Ansatz, der sich an der individuellen Anamnese des und der einzelnen Patient:innen Schüler:innen orientiert.
Wer mit diesem Wissen auf das Modell Wechselunterricht schaut, erkennt darin plötzlich nicht mehr nur Schrecken und ausgedruckte Arbeitsblätter. Wer Schüler:innen individuell fördern will, wird feststellen, dass remote Unterricht über Videokonferenzen dafür äußerst gut geeignet sein kann. Was an besseren Schulen mit gut ausgestattetem Lehrpersonal schon während der Pandemie-Bekämpfung sichtbar wurde, kann auch nach den Sommerferien Anwendung finden: eine andere Betreuung von Schüler:innen im Wechselmodell.
Kleinere Klassen, bessere Betreuung und individuelle Lernförderung sind ja Ziele, die auch völlig unabhängig von der Inzidenz besser sind als die überfüllten Klassenräume des Fabrik-Schul-Modells der Vor-Corona-Zeit. Der Economist hat diesem Ziel unlängst einen ganzen Schwerpunkt gewidmet, der zeigt wie konstruktiv überall bereits an der Schule der Zukunft gearbeitet wird. In den vergangenen Monaten haben Schüler:innen und Lehrer:innen gelernt, dass Unterricht auch digital möglich ist. Wer es sich leisten kann, greift schon heute auf individuelle Einzelförderung zurück, die mancherorts noch Nachhilfe heißt, aber in Wahrheit nichts anderes als Einzelcoaching im Videocall ist.
Damit so etwas auch im klassischen schulischen Kontext möglich wird, braucht es eine Reform des Schulsystem im Sinn des medizinischen Modells, mehr und besser bezahlte Lehrkräfte, die auch vor digitalen Instrumenten nicht zurückschrecken und vor allem einen Wechsel der Perspektive auf Wechselunterricht.
Schulen sind – egal bei welcher Inzidenz – keine Kinder-Verwahranstalten, sondern Orte des Lernens. Es wäre sicher kein Schritt in die falsche Richtung, den Fokus mal wieder auf die Frage zu legen, wie Lernen nicht nur in sondern mit der Schule Spaß machen kann.
¯\_(ツ)_/¯
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Der Shruggie des Monats ist eine Rubrik aus meinem Newsletter (den man hier kostenlos bestellen kann). Der Shruggie ist die Hauptfigur aus meinem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“, in dem ich zehn Gründe für einen gelassenen Umgang mit dem Neuen versammle.
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