Ab Donnerstag wird Mannheim zur Hauptstadt der Kopie. In der Alten Feuerwache findet bis Sonntag das hochkarätig besetzte Festival SUPERCOPY statt (zu dem ich auch eingeladen war, aus Termingründen aber absagen musste). Vier Tage lang feiern die Festivalmacher die Kopie – mit einem tollen Programm.
Ich habe den SUPERCOPY-Organisatoren Jan-Philipp Possmann und Sören Gerhold vorab ein paar Fragen gemailt.
Warum braucht man ein Festival übers Kopieren?
Für uns gab es eigentlich zwei Gründe, dieses Festival ins Leben zu rufen. Wenn man sich als Kreativstandort und als Kulturstadt versteht, wie Mannheim das immer stolz von sich behauptet, dann ist die Frage danach, was Kreativität und was Kulturgüter im digitalen Zeitalter eigentlich sind, schon wichtig zu stellen. Und wenn man mal anfängt darüber nachzudenken, dann lässt sich diese Frage nicht mehr so einfach beantworten. In Baden-Württemberg wurde ja vor wenigen Jahren ein neuer Kunstfonds mit großem Tamtam aufgelegt, und der heißt natürlich Innovationsfonds. Als Veranstalter oder Kulturschaffender fragt man sich dann natürlich, ist das jetzt innovativ, was man da macht und was soll das überhaupt bedeuten, innovative Kultur? Sollte so ein Fördertopf im Jahr 2012 nicht eher Rekreativfonds heißen? Deswegen finden wir es wichtig, die Leute mit dem Thema zu konfrontieren, und zwar mit allen Facetten des Themas, also mit der Politik der Kopien ebenso wie mit Technik oder Kunst.
Das andere was uns wichtig ist, ist auf das Erbe der Hip Hop Kultur zu verweisen. Wir sind beide mit Hip Hop aufgewachsen, Sören hat selbst erfolgreich als DJ gearbeitet und natürlich gesampled, aber für uns beide war diese Kultur prägend. Und wir sind der Meinung, dass die Musik im Hip Hop, die ja auf dem Prinzip des Sampling, auf dem Breakbeat, aufbaut eine extrem intelligente und komplexe Musik ist. Lange Zeit wurden aber Rap und die verschiedenen elektronischen Stile die sich drumherum entwickelt haben als eine Art Pesudomusik abgetan, oder man hat es nur als eine Art soziokulturelles Sprachrohr irgendwelcher Randgruppen ernst genommen. Aber die Technik des Samplings, also das Musikmachen mit bestehender Musik, ist die musikalische Innovation der letzten 50 Jahre. Das ist aus der Popmusik aber auch aus der Kunst insgesamt nicht mehr wegzudenken. Und darum ging es uns auch, diese Kultur und ihre Verdienste zu feiern.
Ihr schreibt „Sampling ist die zentrale Kulturtechnik des beginnenden 21. Jahrhunderts“. Nun gibt es auch Menschen, die das anders sehen. Gibt es auch Kritik/Widerstände an dem Festival
Erstmal nicht. Im Gegenteil: Es gab extrem viel Interesse und Bereitschaft, mitzumachen. Die Institutionen merken ja, dass sie von den technischen und rechtlichen Entwicklungen betroffen sind oder es früher oder später sein werden. Die Frage ist nur, hat man es dort mit Leuten zu tun, die so ein Projekt als Chance begreifen, mit der Herausforderung umzugehen, oder die lieber den Kopf in den Sand stecken. Zum Beispiel die Stadtbibliothek Mannheim: Bernd Schmidt-Ruhe, der Leiter der Stadtbibliothek, wusste auch schon bevor wir mit der Idee zu ihm kamen ganz genau, dass die öffentliche Bibliothek nur überlebt, wenn sie den Wandel aktiv mitgestaltet. Die öffentliche Bibliothek ist eine der größten Errungenschaften der französischen Revolution, es gibt wohl niemanden, der etwas gegen Büchereien hat. Und trotzdem laufen wir Gefahr, sie zu verlieren, und zwar nicht etwa weil die Leute nichts mehr ausleihen wollen, sondern im Gegenteil, weil sie digitale Bücher unbegrenzt und hundertfach gleichzeitig ausleihen könnten, aber die Rechtslage sie daran hindert. Aber selbst die BASF, also ein Unternehmen, das in einer ganz anderen Weise und Größenordnung von dem Thema betroffen ist, hat nicht gezögert. Die haben für ihr Firmenjubiläum Sounds von den Mitarbeitern sammeln lassen und dann vermutlich für sehr teures Geld Kompositionen auf der Basis dieser Samples in Auftrag gegeben. Für SUPRCOPY geben sie dieses Material wieder komplett frei und jeder kann damit Musik machen. Warten wir mal ab, wie die Reaktionen beim Festival selbst sind. Sicherlich werden einige Positionen nicht jedem gefallen. Die Frage ist ja immer, zieht man unangenehme Schlussfolgerungen aus dem was man hört oder sieht, oder tut man das einfach als Entertainment ab.
Wie habt Ihr das Programm kuratiert?
Für die erste Ausgabe des Festivals wollten wir eine möglichst breite Palette an Themen und Formen dabei haben. Wir wollten zeigen, in welchen Bereichen die Frage nach Original und Kopie überall auftaucht und relevant ist – von der Popmusik bis zur Wissenschaft. Dabei haben wir uns stark auf unsere Partner verlassen, jeder hat so einen Teilbereich kuratiert. Sören hat die Konzerte kuratiert, die Kollegen aus der peformativen Kunst die Performances, die VJs die Videokunst und so weiter. Jan-Philipp war dafür zuständig, die Teile alle aufeinander abzustimmen und die Workshops und Vorträge inhaltlich auszurichten. Wir haben außerdem bewusst Praxis und Theorie, Kunst, Wissenschaft und Politik gemischt – also zum Beispiel hält der Musikjournalist Falk Schacht erst einen Vortrag und spielt später ein DJ-Set, Oder der israelische Musiker Kutiman spricht erst über seine Youtube-Remixe und spielt anschließend ein Konzert mit seinem Kutiman Orchestra. Am letzten Tag zeigen wir zwei Filme, die jeweils von Vorträgen begleitet werden. Außerdem gibt es eine Arbeitsgruppe zum Urheberrecht, die an ganz konkreten ökonomischen und rechtlichen Fragen arbeitet, und die auch im Sommer in Köln fortgesetzt wird. So etwas bringt dir als Festivalmacher kein Publikum, aber es trägt die Debatte weiter, und die ist uns mindestens ebenso wichtig.
Worauf freut Ihr Euch besonders?
Ich glaube wir beide freuen uns schon sehr auf Kutiman, weil sein youtube-projekt „thru you“ zum eindrucksvollsten und poetischsten gehört, was in letzter Zeit mit Sampling gemacht wurde. Das interessante an seinem Auftritt bei uns ist, dass Kutiman, der ein gestandener Musiker und nicht bloß ein verrückter Computernerd ist, erst über seine youtube-samples spricht, dann aber mit seiner Funkband ein Konzert spielt, also handgemachte, analoge Musik, in dem er unteranderem diese thru-you-songs live spielt. Schöner kann man eigentlich nicht zeigen, dass das eine das anderen keinesfalls ausschließt und dass die Grenzen zwischen Remix, Sample und Original längst gefallen sind.
Habt Ihr eine Lieblings-Kopie? Und wenn ja: Welche?
Schwer zu sagen. Meine, Sörens, Lieblingskopie, wenn man es so nennen kann, ist und bleibt Kid Koala’s „Drunk Trumpet“, bestehend aus einem Trompetensolo aus LL Cool J’s „Going Back To Cali“. Mein Lieblings Sample ist eindeutig „aah, this stuff is really fresh“ von Fab Five Freddy, das meist genutzte Sample ever! Aber die wirkliche Super-Kopie, die ist eigentlich von der dänischen Künstlergruppe Superflex. Die haben gefälschte Lacoste-T-Shirts auf dem Markt gekauft, mit dem Wort Supercopy bedruckt, und als Originale wieder verkauft. Lustigerweise hat Lacoste ihnen das verboten. Dabei haben sie doch eigentlich so die Markenehre gerettet! Ausserhalb der Kunst geht der Preis vielleicht an das Gen. Die Fortpflanzung dürfte ja die großartigste Kopierleistung überhaupt sein.
Alles übers SUPERCOPY-Festival gibt es hier. In Mannheim tritt neben Kutimann unter anderem auch Professor Wolfgang Ullrich auf, den ich für „Eine neue Version ist verfügbar“ interviewt habe – weil er 2012 die Ausstellung „Deja Vu? – die Kunst der Wiederholung“ in Karlsruhe kuratiert hatte. Wer sich jetzt fürs Kopieren begeistert, dem sei mein Lob der Kopie empfohlen.