„Es war der größte Fehler, meinen Namen gesagt zu haben. Jetzt nervt mich ganz Deutschland“, der Clip, in dem der Satz fällt, stammt vom Beginn der Woche. Der Mann, der ihn sagt, zeigt dazu Screenshots aus Kommentarspalten und lässt seiner Verwunderung freien Lauf: „Egal, auf welches Tiktok ich gehe: mein Name steht da.“ Es gibt keinen erkennbaren inhaltlichen Bezug für die Verwendung des Namens, aber er ist tatsächlich in unzähligen Kommentaren zu lesen. „Mein Name ist überall. Literally. Ich werd einfach fame wegen meinem Namen. Ich mach Musik, keiner kennt meine Musik, aber meinen Namen kennt ihr, oder was?“
Der Clip stammt von Theophilus Junior Bestelmeyer und um den Hype um seinen Namen zu verstehen, muss man eigentlich nur diesen Clip* anschauen, in dem er sein Unverständnis über den Hype äußerst. Es gibt keine sinnvolle Erklärung. Daraus erwächst eine magnetische Wirkung, die den Quatsch nicht nur noch alberner, sondern auch noch attraktiver macht. Es ist ein running gag, basierend auf dem geheimen Gruppenwissen („Wir schreiben den Namen einfach überall hin“), das zum Zugangs-Code wird: „Du bist dabei, wenn du es verstehst.“ Denn alle anderen verstehen den Quatsch nicht. „Wie geil.“ Genau aus dieser Dynamik speisen sich Memes. Und hier kann man ein besonders unerklärliches im Entstehen beobachten.
Das Besondere dabei: Theophilus Junior Bestelmeyer lässt das Web an seiner eigenen Verwirrung teilhaben. Im Laufe der Woche war sein Kanal von Tiktok gesperrt, aber jetzt postet und repostet er Beiträge, die sich auf seinen Namen beziehen. Statt sich von der Welle überspülen zu lassen, versucht er sie zu reiten. Bis jetzt gibt es noch keinen Wikipedia-Eintrag zu seinem Namen, aber er wird sicher bald kommen: Lesen wird man dort, dass er unter dem Künstlernamen „Theo Junior“ Musik macht (aktueller Song „Mit vier Jahren“) und im Sommer 2021 im Mittelpunkt eines Hypes stand, weil sein echter Name vielen Nutzer:innen auf Tiktok ungewöhnlich für einen jungen Mann erschien. So versucht dieser reddit-Thread zu erklären, was nicht zu erklären, sondern nur nachzuerzählen ist: Am Montag veröffentlichte Theo Junior auf seinem Tiktok-Kanal einen Clip, in dem er seinen Klarnamen erwähnt: „Ich heiße Theophilus Junior Bestelmeyer. Mein Name ist einfach so geil, digga. Mein Leben ist einfach optimal. Mein Leben ist einfach optimal, digga.“
Warum diese Vorlage einen Welle auslöste, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Dass sie ein Meme produzierte, ist aber klar erkennbar: In Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina hat eine junge Mitarbeiterin der Firma Middletown Meyers jetzt zum Beispiel damit zu kämpfen, dass die Wette mit ihrem Chef um eine Tätowierung womöglich mit einem deutschen Internet-Meme in Verbindung treten könnte. In diesem Clip wird beschrieben, dass der Chef der Firma der jungen Frau 3500 Dollar zahlt, wenn sie sich tätowieren lässt, was das Internet sich wünscht. Derzeit führt „Theophilus Junior Bestelmeyer“ mit über 24.300 Likes.
Um wirklich zu verstehen, was es mit diesem Spiel von Distinktion und digitaler Vernetzung auf sich hat, muss man sich vielleicht zuerst von dem Wunsch lösen, darin einen tieferen Sinn zu erkennen. Womöglich ist es vor allem die Freude daran, mit dem digitalen Echo zu spielen, das die demokratisierten Publikationsmittel erzeugen können. Ganz so als würde man in einer Bahnunterführung sehr laut rufen – und sich dann am Echo erfreuen. Es gibt dafür keine weitere Erklärung.
Theo Junior hat sich jedenfalls mit seinem unerklärlichen Ruhm arrangiert und macht jetzt das, was bekannte Menschen in sozialen Medien tun: sie zeigen sich mit anderen bekannten Menschen. In diesem Clip ist er mit Fußball-Nationalspieler Antonio Rüdiger zu sehen.
* es scheint weiterhin Probleme mit dem Account zu geben. Zeitweilig waren die Videos nicht zu sehen
Mich faszinieren solche Geschichten – wie auch jene von der Zeile „Ich chille mit der Crew digga“ oder jene vom M to the B-Sound. Sie zeigen den Zauber dessen, was mich zu diesem Buch brachte. Darin versuche ich zu beschreiben, was nur schwer zu erklären ist: Wie Memes entstehen und warum sie sich fortführen – wie Ohrwürmer im Internet.
Dass darüber die politische Debatte über Tiktok nicht aus dem Blick geraten darf, habe ich hier bereits erwähnt und das gilt natürlich weiterhin. Dazu empfehle ich den Newsletter vom Socialmediawatchblog und in Fragen zur Tiktok-Kultur den Newsletter von Marcus Bösch. Mehr über Tiktok hier im Blog gibt es außerdem unter tiktok-taktik.de