Im Oktober habe ich für jetzt.de ein Interview mit Björn Frommer von der Kanzlei Waldorf Frommer in München geführt. Er hat darin sehr anschaulich dargelegt, wie seine Kanzlei das umsetzt, was auf der Website mit den Worten „für ein neues Bewusstsein im Urheberrecht“ beschrieben ist. Björn Frommers Kanzlei geht im Auftrag von Rechteverwertern gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet vor. In dem Gespräch bezeichnete er seine Kanzlei als „eine der klagefreudigsten der Branche“.
Ich musste an das Gespräch denken, als ich unlängst die Meldung von Hollywood-Studios las, die genau wie eine holländische Verwertungsgesellschaft beim illegalen Nutzen von BitTorrent-Tauschbörsen ertappt worden sein sollen. Erstaunlich daran ist, dass die niederländische Verwertungsgesellschaft in einer Presseerklärung einen Reflex zeigt, den Björn Frommer in dem Gespräch als typisch beschreibt. Sie redet sich raus. Und zwar mit Hinweis auf einen Fehler/Hack in Bezug auf die IP-Adresse.
Das ist deshalb so erstaunlich, weil diese Unsicherheit in der Ermittlung von IP-Adressen auch in dem Interview thematisiert wurde. Auf mögliche Fehler in der für die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen dringend notwendigen Methode angesprochen, sagte Björn Frommer:
Mir ist aber kein Fall bekannt, bei dem es zu einem solchen Fehler kam.
Der Freisinger Rechtsanwalt Thomas Stadler, den ich als Vertreter der Gegenseite ebenfalls interviewte, sagte zu dem Thema:
Man kann vor Gericht durchaus bestreiten, dass der eigene Anschluss für einen Up- beziehungsweise Download genutzt wurde. So ein Fall ist in Gänze aber meines Wissens nach noch nie durchgestritten worden. Denn die Konsequenz wäre, dass ein vom Gericht bestellter unabhängiger IT-Sachverständiger die Software überprüft, mit deren Hilfe der Anschlussinhaber ermittelt worden ist. Und die Kosten eines solchen Sachverständigengutachtens übersteigen die übrigen Kosten voraussichtlich deutlich.
Nun sind die in der Meldung zitierten Fälle nicht in Deutschland angesiedelt. Und deshalb vielleicht hier auch nicht relevant. Doch als Ole Reißmann jetzt auf Spiegel Online den Fall Rentnerin ohne Computer muss wegen Raubkopie zahlen aufgriff, fühlte ich mich wieder an die Frage der IP-Ermittelung erinnert (dazu muss man sagen, dass es in den beiden genannten Fällen um unterschiedliche Erhebungsmethoden geht).
Zum fraglichen Zeitpunkt, an einem Morgen im Januar 2010 um kurz nach 9 Uhr, hat die Beklagte aber nach eigenen Angaben geschlafen. Einen Computer besaß sie damals nach eigenen Angaben seit einem halben Jahr nicht mehr – und auch keinen Router, der ein W-Lan oder einen Internet-Anschluss für jemand anderen hätte bereitstellen können. Die pflegebedürftige Frau hat noch nicht einmal eine E-Mail-Adresse. Trotzdem soll sie über das „eDonkey2000“-Netzwerk einen Film heruntergeladen haben. Etwas mit Hooligans, mit extremen Gewaltszenen.
Vielleicht trügt der Schein, aber es wirkt so als handele es sich um einen Fehler in der Ermittlung. Rechtsanwalt Stadler hatte dazu in dem Interview gesagt:
Aber selbst dann, wenn diese Software nur eine Fehlerquote von einem Prozent hätte, wäre das viel zu hoch. Letztlich müsste sichergestellt sein, dass diese Programme vollständig fehlerfreie Ergebnisse liefern.
Das ist die juristisch-politische Haltung, die man zu der Frage einnehmen kann. Auf einer moralischen Ebene sehe ich aber ein viel größeres Problem. Die gängige Praxis, deren Ziel es ja ist sein sollte, dem Urheberrecht zu einer besseren Durchsetzung zu verhelfen, verliert dadurch ihre moralische Glaubwürdigkeit. Die Einsicht in dessen Notwendigkeit wird vermutlich nicht steigen, wenn der Verdacht, entsteht auf diese Art und Weise werden womöglich die Falschen bestraft.