Was uns aus der Reuß-Tirade gegen digitale Publikationsmedien entgegenschlägt, ist kaum verhüllte Technophobie. Stimmt es also, was die deutsche Branchenorganisation Bitkom sagt? Der digitale „generation gap“ verlaufe etwa entlang des 50sten Lebensjahres. Wer älter ist, durchlebte keine elektronische Sozialisierung, begreift Internet und Virtualität als Risiko und potenzielle Bedrohung akzeptierter Werte. (…)
Der Umbruch, vor dem Reuß und die anderen 1500 Unterzeichner solche panische Angst verspüren, ist tatsächlich tiefgreifender, als sich das die meisten von uns vorstellen können und wollen. Gerade beim „Wollen“ tun sich die neuen Maschinenstürmer um Roland Reuß (die alten warfen ihre Holzschuhe in Webstühle, um die industrielle Revolution aufzuhalten) beim Akzeptieren der digitalen Gegenwart schwer. Da draußen im Welt Weiten Web schwimmen alle Bücher, Musikstücke, Filme, Bilder herum, und niemand, auch kein Gesetzgeber, kann etwas dagegen tun. Die Vertreibung aus dem papierenen Paradies ist bereits in vollem Gang, die Idylle des elfenbeinernen Gebäudes aus Autor, Verlag und Rezipient liegt in Trümmern.
Fritz Effenberger setzt sich bei telepolis mit dem Heidelberger Appell auseinander und setzt dem einen Augsburger Appell entgegen:
Ich fordere daher die politischen Kräfte in unserem Land auf, nicht weiter über naive, da technisch unwirksame Verbote nachzudenken, sondern über die aktive Gestaltung des Urheberrechts in einer Zeit des technischen Umbruchs: Jeder Bürger kann sich heute via digitaler Weitergabe jedes Buch, jeden Film, jedes Musikstück besorgen, ohne dass dies technisch verhindert oder mitverfolgt werden kann. Die Gesetze müssen dieser Realität entsprechend reformiert werden, der Urheber muss die ihm zustehende Vergütung erhalten. Diese wird tatsächlich heute schon teilweise erhoben und ausgeschüttet: Geräte und Medien zur Herstellung von Kopien sind mit einer Abgabe belegt, die von den zuständigen Verwertungsgesellschaften an die Autoren, Komponisten, geistigen Schöpfer ausgeschüttet werden.