Lesern dieses Blogs wird nicht entgangen sein, dass ich vor einer Weile ein Buch veröffentlicht habe. Ich habe die Rezeption des Titels hier deshalb so ausführlich begleitet, weil ich selber die Reaktionen durchaus als spannend empfunden habe – und dies auch den Lesern eröffnen wollte.
Eine Reaktion, die ich nicht spannend, sondern eher ermüdend finde, ist der Vorwurf ich wolle das Urheberrecht abschaffen. An unterschiedlicher Stelle ist diese Annahme an mich herangetragen worden. Meist versuche ich meine Haltung (die digitale Kopie und ihre Folgen zu beschreiben, um sie zu verstehen und daraus Schlüsse für das gerade erodierende Urheberrecht zu ziehen), durch die Gegenfrage auf den Punkt zu bringen: Was wäre denn die Alternative? Soll heißen: Würde das Urheberrecht eine höhere Legitimation erfahren, wenn man einfach nichts täte bzw. die urheberrechtlichen Sanktionen verschärft?
Eine Antwort auf diese rhetorische Frage liefert jetzt (quasi über Bande) der Journalistenverband Freischreiber. Der „dritte Korb“ darf kein Maulkorb für Urheber werden ist ein Positionspapier des Verbands wortspielreich überschrieben. Darin wird der Beitrag der Freischreiber zur Initiative Urheberrecht dargelegt.
Ich möchte dieses Papier hier nicht kommentieren auch wenn mir die Betrachtung, „die großen Internet-Plattformen (wie Google oder Facebook)“ würden in der Urheberrechtsdebatte die Interessen der Nutzer vertreten, doch etwas kurz gegriffen scheint. Die Interessen der Nutzer vielleicht als Interessen der Bürger zu bezeichnen, wäre meiner Einschätzung nach einem Journalistenverband auch nicht unangemessen. Auch empfinde ich, die Formulierung mittels derer ein pauschales Vergütungssystem vorgeschlagen wird (das ich inhaltlich begrüße) etwas unglücklich („…die Ermöglichung der nicht-gewerblichen Privatkopie an die Einführung einer pauschalen Urheber-Abgabe zu binden. Die Erhebung und Verteilung einer solchen Abgabe muss unabhängig, nachvollziehbar, transparent und gesellschaftlich gerecht gestaltet werden.“).
Aber wie gesagt mir geht es nicht um das Papier, mir geht es um die Frage, wie man mit gesellschaftlichen Realitäten umgeht. In dem Freischreiber-Papier lässt sich das an dem folgenden Satz illustrieren, der sich dem oben erwähnten pauschalen Abgabesystem anschließt:
So genannte transformative Werknutzungen (Remix, Mashup, Appropriation Art, Plagiate) lehnen wir ab, insbesondere, wenn sie zu Gewinnerzielungszwecken bzw. auf Kosten anderer vorgenommen werden.
Natürlich ist mir bewusst, dass der Verband mit diesem Satz und der darin zentralen Formulierung (die auf Plagiat anzuwenden eher unredlich ist) Bezug auf das Gutachten „Verbraucherschutz im Urheberrecht“ aus dem Sommer 2011 nimmt. Darin hatte Till Kreutzer im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein Gutachten verfasst, in dem auch die transformative Werknutzung thematisiert wurde:
„Um die kreative Entfaltungskraft und neuartige Phänomene wie die Kreativität der Massen einerseits nicht mit einem zu engen Rechtsrahmen zu behindern und andererseits klar zu regeln, welche Befugnisse in diesem Zusammenhang existieren, besteht für eine gesetzliche Regelung dringender Bedarf. Denn es ist kreativen Prosumern nicht möglich, die für ihre Aktivitäten notwendigen Nutzungsrechte individuell einzuholen.“
Wenn die Freischreiber (dies nun transformativ nutzen und) formulieren, diese transformative Werknutzung lehnten sie ab, frage ich mich, welche Folgen das haben wird: Wird sie dadurch womöglich enden? Werden Menschen Abstand davon nehmen zu tun, was sie technisch können – nämlich Werke transformativ zu nutzen?
Der von Till Kreutzer verwendete Begriff des Prosumenten bringt auf den Punkt, dass die Betrachtung eines rein passiven Konsumenten zu kurz greift. Jeder kann zum Produzenten werden (daher die Wortneuschöpfung) und Werke referenzieren oder transformieren. Wird sich das ändern, wenn ein Journalistenverband dies ablehnt? Wird die digitale Kopie nicht mehr genutzt, wenn irgendjemand erklärt, er oder sie möge sie nicht oder lehne sie gar ab?
In Wahrheit sagt das Freischreiber-Papier: „eine gesetzliche Regelung der transformativen Werknutzung lehnen wir ab“. Anzunehmen, dass dies zu einer höheren Akzeptanz des Urheberrechts führen wird – und damit schließt sich der Kreis zu meinem Privat-Problem vom Einstieg – ist Unfug. Wer glaubt, die Folgen der digitalen Kopie durch Ablehnung oder Ignoranz einzufangen, erweist dem Urheberrecht damit in Wahrheit einen Bärendienst. Die digitale Kopie (die leider im Positionspapier gar nicht erst auftaucht) ist in der Welt, ihre Folgen abzulehnen, mag vielleicht schön klingen, ist aber so sinnvoll wie die Ablehnung von Regen. Weniger nass wird man dadurch nicht. Dafür ist es notwenig, einen Umgang mit dem Wetter zu finden.
Insofern bin ich dem Papier für die in Wahrheit vielleicht nur unglückliche Formulierung dankbar. Sie illustriert eine grundsätzliche Haltung zu der Frage, wie man mit der Ungeheuerlichkeit der digitalen Kopie umzugehen gedenkt. Ich würde sie gerne zunächst verstehen und dann Schlüsse daraus zu ziehen, wie ein reformiertes Urheberrecht aussehen kann, das die Interessen der Urheber, der Verwerter und ja auch der Bürger angemessen im Blick behält. Eine Abschaffung des Urheberrechts hat dieses Vorgehen nicht zur Folge. Anders als das Ausblenden der gesellschaftlichen Realität der digitalen Kopie.
P.S.: Natürlich kann man übrigens auch gesellschaftliche Realitäten politisch ablehnen. Dann wäre es aber schön zu erfahren, zu welchem Preis man das tun möchte.
4 Kommentare
Lieber Dirk von Gehlen, es handelt sich hier ja um die Stellungnahme eines Verbands freier Journalisten. Insofern bezieht sich das Positionspapier auf Journalismus. Und da Journalisten nun einmal Verantwortung z.B. gegenüber Gesprächspartnern haben, müssen sie deutlich machen, dass nicht Teile aus einer Reportage, einem Porträt, einem Interview etc. einfach so entnommen und in völlig andere Zusammenhänge gestellt werden können. Seit vielen Jahren wehren sich die freien Journalisten dagegen, dass Nutzungsrechte im Rahmen so genannter Buy Out-Verträge nicht so einfach an Dritte weiterverkauft werden können, weil Journalisten Sorge haben, dass ein Interview oder ein sonstiger Beitrag plötzlich auf einer Firmen-Website etc. auftaucht – ohne vorherige Rückfrage.
Im Bereich der Kunst mögen Mash-Up und Remix Kreativität freisetzen (dazu können die Künstler sicher mehr sagen), aber im Journalismus stößt diese Form von Kreativität an ihre Grenzen.
Ich denke, das Gespräch zwischen Urhebern und Nutzern (Bürgern) beginnt gerade erst (viel zu spät übrigens). Beide Seiten sollten sich erst mal zuhören. Die Freischreiber gehören zu denen, die das tun. Uns ist aber klar, dass die Fronten noch immer sehr verhärtet sind. Mit Ausblendung von Realität hat das weniger zu tun.
Lieber Wolfgang Michal,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
Ich verstehe Ihren Punkt. Was ich nicht verstehe: Welche Folgen versprechen Sie sich von so einem Satz? Worauf gründet sich diese „Ablehnung“? Und wie glauben Sie ist diese mit der Realität in Einklang zu bringen?
Darauf bezieht sich meine Kritik – nicht auf das Papier in Gänze. Die dort enthaltene pauschale Abgabe halte ich wie gesagt für begrüßenswert
Besten Gruß
Dirk von Gehlen
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Ich glaube, dass man hier nach Sparten differenzieren muss. Ein Mashup für journalistische Produkte erscheint mir aus den oben genannten Gründen problematisch. Ähnlich muss man wahrscheinlich bei den Schutzfristen differenzieren. Ein Bericht über den Feuerwehrabschlussball in Kleinkleckersdorf im Kleinkleckersdorfer Anzeiger muss wahrscheinlich nicht bis 70 Jahre nach dem Tod des Autors urheberrechtlich geschützt sein, bei einem Komponisten oder Schriftsteller sieht das schon wieder anders aus.
Aber Rückfrage: Wie würden Sie denn Urheberrecht und Realität in Einklang bringen?
Mir geht es vor allem darum, dass ein „lehnen wir ab“ nicht sonderlich hilfreich ist, um das Urheberrecht so mit der Realität in Einklang zu bringen, dass die Menschen es akzeptieren. Denn natürlich kann man versuchen, die Sanktionen weiter hochzusetzen und so die Rechtsdurchsetzung gewährleisten. Halte ich aber für gefährlich.
Ebenfalls nicht einverstanden bin ich mit der Unterscheidung, die Sie vornehmen. Wieso soll der Bericht über die Feuerwehr weniger schützenswert sein als ein Musikstück? Sobald wir anfangen, den Schutzwert von Kultur an unsere Meinung über diese Kultur zu knüpfen, öffnen wir eine sehr unschöne Debatte.
Das Urheberrecht sollte Werke schützen – völlig unabhängig davon, ob sie uns gefallen oder nicht.