Von memeship bis reelationship – Sebastian Simon über Freundschaft in Zeiten von Memes

Es gibt ein Wort dafür, dass du dir mit Freundinnen oder Bekannten einfach nur Memes zu schickst: DIese Verbindung nennt man Memeship und Sebastian Simon hat eine Hausarbeit an der Uni Köln drüber geschrieben. Das finde ich spannend – und hab ihm ein paar Fragen gemait.

Du hast mir sehr geholfen, Du hast mir ein Wort geschenkt für ein Thema, das sicher viele kennen, aber nur wenige benennen können. Die Verbindung zu Menschen, mit denen man sich ständig Memes schickt. Wie bist du auf den Begriff Memeship gekommen?
Der Begriff memeship wurde bisher wissenschaftlich quasi überhaupt nicht verwendet oder definiert. Bei meiner Recherche zur Freundschaftsführung im Internet bin ich dann auf einen Tweet von Ali San gestoßen, der diesen Begriff verwendet sowie das urban dictionary, wo der Begriff ebenfalls definiert wird als „Freundschaft, die durch das Austauschen von memes kennzeichnet ist“. Im wissenschaftlichen Kontext habe ich diesen eher umgangssprachlichen Begriff dann konkreter definiert als Freundschaft, die sich kommunikativ hauptsächlich dadurch konstituiert, dass sich die befreundeten Personen über Social-Media oder Instant-Messenger-Dienste memes zusenden bzw. sich gegenseitig zu diesen verlinken. Im Internet findet man auch noch weitere solcher Neologismen, z.B. reelationships, das ein ähnliches Phänomen mit reels beschreibt.


Ich nehme an, dass du auch privat Memeships pflegst, aber was hat dich wissenschaftlich an dem Thema interessiert?
Im Zuge meiner Beschäftigung mit digitalen Jugendkulturen und Gemeinschaftsbildung bzw. Vergemeinschaftung in Zeiten des Internets haben sich memeships als verbreitetes soziales Phänomen herausgestellt, ohne dass dies bisher wissenschaftlich erforscht wurde. Auch ich führe memeships, und meine Freunde tun das ebenfalls. Ich fand das sehr spannend und wollte wissen, woher das kommt und warum diese Art der Kommunikation gewählt wird. Zudem gibt es unzählige Studien und wissenschaftliche Arbeiten zu memes und Freundschaften im Internet – das zusammenzubringen und explorativ zu erforschen hat mich neben den inhaltlichen Aspekten auch methodisch interessiert.

Hast du einen Tipp, wo man sich über das Thema abseits von deiner Hausarbeit informieren kann?
Wissenschaftlich ist es einerseits sicher hilfreich, sich generell mit memes zu beschäftigen, um deren Entstehung, Ausprägung und Bedeutungsebenen zu verstehen – das muss ich dir ja nicht erzählen. Ich fand da z.B. Kate Milters Artikel ‚Internet memes‘ im ‚SAGE Handbook of Social Media‘ von 2017 hilfreich. Speziell zu Freundschaft in Zeiten des Internets empfehle ich das neue Werk ‚Digital occupants – Wie digitale Medien die kommunikative Aushandlung von Freundschaft verändern“ von Jeannine Teichert von 2023, das meine Sicht auf das Thema sehr geprägt hat. Allgemein zum Thema „Freundschaft“ empfehle ich das gleichnamige Buch von Ursula Nötzoldt-Linden von 1995, bei dem es vor allem und Freundschaft als soziologische Kategorie geht.


Früher gab es die Kritik an den losen Verbindungen in sozialen Netzwerken, es handele sich dabei ja gar nicht um richtige Freundschaften. Kann man heute sagen, dass diese Freundschaften eher eine neue Form angenommen haben?

Generell kann natürlich jede*r für sich selbst entscheiden, was eine ‚richtige‘ Freundschaft ausmacht und wie viel Kontakt, Nähe oder Anderes dabei entscheidend ist. Gleichzeitig versucht die wissenschaftliche Forschung, Freundschafts-Kategorien und -typen zu bilden, um damit methodisch arbeiten zu können. Dabei sehen wir, dass die Aspekte, die vor dem Internet für eine Freundschaft als essenziell galten, z.B. das gemeinsame Erleben, physische Nähe und Austausch, im Internet nur bedingt reproduziert werden – physische Nähe ist keine Grundvoraussetzung mehr für einen regelmäßigen Austausch, auch wenn natürlich gemeinsame Erfahrungen bzw. das Konstruieren gemeinsame Erlebnisse bei einer räumlichen Distanz schwerer werden.

Im Zuge meiner Forschung zu memeships habe ich gelernt, dass diese vor allem dazu dienen, bereits bestehende Freundschaften zu pflegen und möglichst effizient und unaufwendig aufrechtzuerhalten. Sie könnten also eine neue Form der Freundschaft dahingehend sein, dass sie in der Selbstwahrnehmung als Freundschaften verstanden werden. Je mehr jedoch der Aspekt der „Aufrechterhaltung“ im Mittelpunkt steht, desto größer wird die Frage, inwiefern diese Freundschaften noch die klassischen „Funktionen“ von Freundschaften erfüllen oder
nur als Beziehungsbezeichnung weiterleben, inhaltlich jedoch einer Freundschaft nicht mehr gerecht werden.

Jeannine Teichert spricht hier im oben genannten Werk von ‚digital occupants‘. Digitale Verhaltensweisen agieren da quasi als „Besetzer“ der quantitativ beschränkten, individuellen „Freundschaftsplätze“: geographisch entfernte, im Alltag nicht präsente und durch das Internet aufrechterhaltene Freundschaften bleiben dabei so präsent und vermeintlich intakt, dass die Kapazität für lokal vorhandene Freundschaften und Freundschaftsnetzwerke erschöpft ist.
Ich glaube schon, dass das Internet und hier konkret memeships eine neue Art der Freundschaftsführung ermöglichen, ohne dass ich es so eindeutig sagen könnte, ob es sich dabei um schlechte Kopien richtiger Freundschaften handelt, oder ob es einfach etwas neues, anderes ist.

Sind Memeships eigentlich eine Frage des Alters?
Ich habe in meiner kleinen Studie keinen demographischen Daten erhoben, aber es scheint schon wahrscheinlich, dass jüngere Menschen, die Social Media nachweislich mehr nutzen, auch mehr Freundschaften darüber pflegen und mehr memeships haben. Sie kommunizieren auch mehr über das Internet und es spricht vieles dafür, dass sie das Führen von Freundschaften und digitale Kommunikation weniger voneinander trennen als ältere Menschen. In einer Studie des Deutsches
Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) von 2018 gaben beispielsweise 44% der 18 bis 24-Jährigen an, dass sie ohne das Internet nicht in der Lage wären, ihre Freundschaften aufrechtzuerhalten.

Du studierst Interkulturelle Bildung und Kommunikation, welche Rolle spielen
Memes in deinem Studium?

Interkulturelle Bildung und Kommunikation an der Uni Köln ist ein interdisziplinärer Studiengang mit perspektiven aus Soziologie, Pädagogik, Psychologie, Medienwissenschaft, Linguistik und Ethnologie. Meine Arbeit fand dabei im Rahmen der Medienwissenschaft bzw. Medienpädagogik statt, bei der memes und andere Internetphänomene vor allem im Kontext sogenannter sozialer Vergemeinschaftung
behandelt werden.

Planst du Memes auch beruflich weiter zu begleiten?
Es gäbe garantiert noch sehr viele Möglichkeiten, weiter zu memes zu forschen und sich beruflich bzw. akademisch weitergehend damit zu beschäftigen. Für ein Masterarbeitsthema habe ich mich aber noch nicht entschieden. Sicher ist aber, dass mich memes seit der Forschung noch viel mehr faszinieren als eh schon – die Chance besteht also auf jeden Fall.
Um die Antwort abzukürzen: